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Bildung in Gefahr, der Rotstift ist schon gezückt

Archiv Linksfraktion - Rede von Nicole Gohlke,

Die chronische Unterfinanzierung von Schulen und Hochschulen besteht weiter. Die Bundesregierung hat die Haushalte der Länder in Not gebracht und sich selbst mit dem völlig absurden Kooperationsverbot die Möglichkeit genommen, einzugreifen.

Redemanuskript - es gilt das gesprochene Wort

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
über eine Viertelmillion Menschen streikten und demonstrierten im Juni 2009 für bessere Bildung. Ihr Slogan war „Geld für Bildung statt für Banken“, weil sie sich dagegen wehrten, dass ein Milliarden-Rettungspaket für Banken über Nacht ermöglicht wurde, gleichzeitig aber angeblich kein Geld für Bildung da war.
1 Jahr später – wieder werden Rettungspakete im Umfang von mehreren hundert Milliarden Euro geschnürt – diesmal für verschuldete Euro-Länder. Aber nicht etwa, dass die Bevölkerung der in Not geratenen Staaten etwas davon hätte – nein – das Geld fließt wieder an die Banken, bei denen sich die Staaten verschuldet haben.
Gestern waren erneut 70.000 Schülerinnen und Schüler, Studierende, Auszubildende, Eltern und Lehrkräfte auf der Straße, weil die Gründe für die Proteste auch 1 Jahr später nicht aus der Welt sind – weil sie sich im Gegenteil noch verschärft haben.
Zwar verspricht die Bundesregierung, dass die Bildung der einzige Bereich sei, der von ihren rigiden Sparplänen ausgenommen werden solle. Dabei scheint die Regierung jedoch zu vergessen, dass die Finanzierung der Bildungsprojekte alles andere als sicher ist: nahezu alle Projekte sind Bund-Länder-Programme, und die Länder sind – auch übrigens dank der Schuldenbremse der Großen Koalition – quasi pleite.
Statt sicheren Bildungsinvestitionen, von denen Sie reden, haben doch im Gegenteil viele Länder bereits den Rotstift gezückt:
In Hessen sollen die Hochschulen 30 Millionen Euro einsparen. In Bayern wurden die Zuschüsse für die Studentenwerke um ein Drittel gekürzt. Die Universität Lübeck steht vor der Schließung. In Sachsen ist mittelfristig der Abbau von 4500 Lehrerstellen geplant – trotz steigender Schülerzahlen. In NRW gibt es in diesem Jahr 7600 Ausbildungsplätze weniger als im Jahr zuvor. Und selbst die Mini-Erhöhung des BAföG um 2% scheint den Ländern zu viel. Das ist doch die Realität in diesem Land!
Sie haben versprochen, in den nächsten Jahren 12 Milliarden zusätzlich in Bildung und Forschung zu investieren. Schauen wir uns das einmal genauer an:
12 Milliarden in 4 Jahren macht 3 Milliarden im Jahr. Die Hälfte davon fließt allerdings in die Forschung und nicht etwa in die Bildung. Und die Wahrheit ist, dass dank des Kooperationsverbotes von diesem Geld keine einzige Lehrkraft neu eingestellt werden wird. Im Gegenteil: bei denen, die das Geld am nötigsten brauchen, kommt kaum etwas an: an den Hochschulen sollen mit dem Nationalen Stipendienprogramm nur die vermeintlich besten Studierenden, mit der Exzellenzinitiative nur die „besten“ Hochschulen unterstützt werden.
Die chronische Unterfinanzierung besteht weiter, für die Sie die Verantwortung tragen, indem Sie die Haushalte der Länder in Not gebracht haben, und indem Sie sich selbst mit dem völlig absurden Kooperationsverbot die Möglichkeit genommen haben, einzugreifen.
Wenn Sie jetzt betonen, dass Schüler/innen und Studierende von den Sparplänen ausgenommen sind, und damit letztlich Ihre brutalen Kürzungen bei den Beschäftigten im Öffentlichen Dienst, bei den Arbeitslosen und Familien rechtfertigen – dann ist das einfach nur zynisch.
Wenn Sie wirklich nicht wissen, woher Sie mehr Geld für Bildung bekommen können – wir haben ein paar Vorschläge: In Würzburg gibt es ja einen ALDI-Süd-Hörsaal, und das wird dann als großzügiger und mildtätiger Akt gepriesen, dass ALDI diese Spende getätigt hat. Aber wussten Sie, dass die beiden ALDI-Brüder zusammen ein Vermögen von über 32 Milliarden Euro haben? Und das sind nur zwei von vielen Milliardären in Deutschland. Mit einer ordentlichen Vermögenssteuer könnten da noch viele Hörsäle gebaut und instandgesetzt werden, könnten viele Lehrkräfte eingestellt werden, ohne dass bei den Beschäftigten im Öffentlichen Dienst oder bei den Erwerbslosen und Hartz-IV-Beziehern gekürzt werden müsste!
Ihr Versuch, die Betroffenen gegeneinander auszuspielen, mit der Gegenüberstellung „Bildung oder Sozialleistungen“ wird scheitern!