Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Bezahlbarer Wohnraum ist für Millionen Menschen in Deutschland inzwischen zu einer Existenzfrage geworden. Junge Familien finden in vielen Metropolen keine bezahlbaren Wohnungen mehr. Rentner und Arbeitslose werden aus den Wohnungen und aus den Nachbarschaften verdrängt, in denen sie zum Teil Jahrzehnte gelebt haben. Studenten übernachten in manchen Universitätsstädten zu Semesterbeginn in Turnhallen, und wer in München oder Hamburg Krankenschwester oder Busfahrer ist, der kann sich in der Innenstadt keine Wohnung mehr leisten.
Die Miete frisst normalen Leuten die Haushaltskasse auf. Investoren verdienen sich hingegen eine goldene Nase. Wir haben in Deutschland ein Problem mit explodierenden Mieten und Wohnungsnot. Das müssen wir endlich ändern.
Die Mieterinnen und Mieter müssen das politische Versagen der letzten Jahrzehnte ausbaden. Was war denn da? Der soziale Wohnungsbau wurde komplett geschliffen.
Von ehemals 4 Millionen Sozialwohnungen sind nicht einmal mehr 1,5 Millionen übrig - Tendenz sinkend. Seit der Finanzmarktkrise drängt das Kapital auf den Immobilienmarkt und versucht, sich im Betongold zu vermehren - Tendenz steigend.
Landes- und bundeseigene Wohnungen wurden zu Hunderttausenden - davon allein über 350 000 bundeseigene Wohnungen - privatisiert. Noch vor ein paar Jahren haben Sie völlig ohne Not 11 000 TLG-Wohnungen verscherbelt - noch dazu an die Heuschrecken. Das war wirklich völlig unverständlich.
Deswegen möchte ich hier an dieser Stelle auch klipp und klar sagen: Nicht die Flüchtlinge sind schuld an der Wohnungsnot und schon gar nicht an steigenden Mieten, sondern einzig und allein eine ignorante Politik der letzten Jahrzehnte trägt dafür die Verantwortung.
Natürlich leiden zuallererst die ärmeren Haushalte unter dieser Entwicklung. In manchen Städten bezahlen sie 40 bis 50 Prozent ihres Einkommens alleine für das Wohnen. Das darf doch wirklich nicht sein.
Deswegen begrüßen wir als Linke natürlich auch, dass es ein Bündnis für bezahlbares Wohnen gibt. Im Bericht werden auch einige gute Vorschläge gemacht. Für mich stellt sich aber ein bisschen die Frage, ob das am Ende in erster Linie ein Bericht für bezahlbares Bauen oder für bezahlbares Wohnen ist.
Es gibt nämlich keinen Automatismus, wonach bezahlbares Bauen automatisch zu bezahlbarem Wohnen führt. An dieser Stelle müssen wir nachjustieren. Wir müssen endlich die Interessen der Mieterinnen und Mieter in den Mittelpunkt unserer Politik stellen.
Neben begrüßenswerten Dingen im Bereich des Bauens gibt es aber auch einige Leerstellen, an denen der Bericht aus meiner Sicht einfach enttäuschend ist. Ich denke beispielsweise an die soziale Wohnraumförderung. Das ist mir einfach zu vage; das ist zu allgemein. Konkretes Handeln statt Absichtserklärungen: Das entlastet doch die Mieterinnen und Mieter.
(Ulli Nissen (SPD): Aber Sie kennen doch den Föderalismus, oder?)
- Ich werde noch etwas zum Föderalismus sagen, Frau Kollegin.
Wir haben einen Kahlschlag im sozialen Wohnungsbau erlebt. Durch die Föderalismusreform ist die Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau an die Länder gegangen. Sie werden dafür im Jahr mit ziemlich lächerlichen 518 Millionen Euro abgespeist. In einigen Ländern wurde dieses Geld noch nicht einmal für den sozialen Wohnungsbau ausgegeben. Das kritisieren wir auch. Bund und Länder haben sich hier nicht mit Ruhm bekleckert.
Trotzdem sage ich an dieser Stelle: Es war ein großer Fehler, die Verantwortung für die soziale Wohnraumförderung an die Länder zu geben. Der soziale Wohnungsbau gehört zurück in die Verantwortung des Bundes und muss endlich wieder Chefsache werden.
Wo ist denn der versprochene Neustart im sozialen Wohnungsbau? Diese 500 Millionen Euro mehr an die Länder finden wir natürlich gut, aber es fehlen 4 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland. Hier sind die Flüchtlinge übrigens noch gar nicht eingerechnet.
Was wird demgegenüber eigentlich neu gebaut? Im vorletzten Jahr wurden gerade einmal 12 500 Sozialwohnungen neu gebaut, 2013 waren es gerade einmal 9 000 Sozialwohnungen. Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, dann brauchen wir sage und schreibe 320 Jahre, bis wir den Bedarf an Sozialwohnungen gedeckt haben. Hier müssen wir doch endlich etwas mehr Tempo machen.
Frau Hendricks fordert nun 1 Milliarde Euro mehr für den sozialen Wohnungsbau. Das finden wir gut. Heute Morgen lief im Ticker, dass die SPD inzwischen 3 bis 5 Milliarden Euro fordert. Nachdem wir vor ein paar Wochen 5 Milliarden Euro für den sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau gefordert haben, kann ich hier nur sagen: Die Linke wirkt.
Die Frage ist doch nur, ob Sie, liebe Frau Hendricks, dafür grünes Licht vom Finanzminister bekommen. Danach sieht es ja im Moment nicht aus. Es sieht für mich auch nicht so aus, als würden Sie dafür eine Mehrheit hier im Plenum bekommen. Bei Ihrer Forderung hat bei der Union eine einzige Person geklatscht.
Wir brauchen einen Neustart im sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau; aber dafür müssen wir vor allen Dingen Mehrheiten in der Bundesregierung und in der Großen Koalition finden. Das ist doch das Problem. Wir sagen: 250 000 Sozialwohnungen - ich betone: sowohl für die deutsche Bevölkerung als auch für Migranten und Geflüchtete - müssen neu entstehen.
Ein Neustart heißt eben auch, kreativer zu sein, weniger Ghettobildung zu haben und eine dauerhafte Belegungsbindung zu erreichen. Da kann man einmal nach Wien fahren und sich anschauen, wie so etwas wirkungsvoll funktioniert.
Das Problem ist aber doch, dass die Bundesregierung - vor allen Dingen Herr Schäuble - bisher lieber auf Steuerabschreibungen setzt, und das ohne Mietobergrenzen. Darüber werden wir morgen ja noch ausführlich sprechen. Wir sagen: So, wie die Dinge jetzt liegen, ist das ein Subventionsprogramm für die Bauindustrie. Das brauchen wir gerade nicht.
Ich stimme ja mit vielem von dem überein, was Sie sagen, Frau Hendricks. Aber wie gesagt: Mit den Mehrheiten im Kabinett scheint es doch zu hapern. Deswegen sage ich: Für eine echte Wohnungsoffensive brauchen wir offenbar zuallererst ein Bündnis innerhalb der Bundesregierung. Die SPD hat viel gefordert, die CDU fast alles ausgesessen. Im Ergebnis ist wenig Effektives passiert. Hier müssen wir endlich ran!
Ich möchte Ihnen zwei Beispiele nennen, die belegen, dass die CDU alles daran gesetzt hat, jede ernstzunehmende Initiative für bezahlbares Wohnen zu verhindern. Manchmal habe ich wirklich den Verdacht, dass es Ihnen gar nicht um bezahlbares Wohnen geht. Ihnen geht es um die Rendite der Vermieter. Und genau das ist das Problem.
Das erste Beispiel ist die Mietpreisbremse. Auf den ersten Seiten des Berichtes wird sie ja vollmundig gelobt. Leider ist es so, dass die CDU im entsprechenden Verfahren so viele Bedingungen und so viele Ausnahmen durchgesetzt hat, dass sie am Ende ein Rohrkrepierer geworden ist. Es gibt doch schon die ersten Zwischenberichte aus den Ländern. Zum Beispiel wird in Berlin gesagt, dass das ein zahnloser Tiger sei. Trotz der Mietpreisbremse würden die Mieten um 6 bis 7 Prozent steigen. - Deswegen sagen wir ganz klar: Mit einem derart ausgehöhlten Gesetz geht es nicht. Hier muss nachgesteuert werden.
Ich nenne das zweite Beispiel, das zeigt, wo die CDU ein Bündnis für wirklich bezahlbares Wohnen verhindert. Das ist die ausstehende und möglicherweise ausbleibende zweite Mietrechtsnovelle. Im Bericht steht viel Unstrittiges. Zum Beispiel ist es völlig richtig, dass beim Neubau nicht mehr so streng auf die Anzahl der Parkplätze geschaut werden muss, wenn weniger Menschen auf ein Auto setzen. Schön und gut! Viel entscheidender aber ist doch, ob Mieterinnen und Mieter vor Preisexplosionen - und zwar per Gesetz - geschützt werden. Und hierzu steht in diesem Bericht leider gar nichts.
Wir haben hier vor ein paar Wochen gefordert, beispielsweise den Mietspiegel breiter aufzustellen oder auch die Modernisierungsumlage so zu ändern, dass die Mieterinnen und Mieter damit nicht aus ihren Wohnungen vertrieben werden können. Was aber ist aus der vollmundig angekündigten zweiten Mietrechtsnovelle der Bundesregierung geworden? Die CDU sitzt sie nach massivem Druck aus der Vermieterlobby aus. Wir können hier noch so viel über die Vereinfachung von DIN-Normen sprechen: So wird es nichts mit bezahlbarem Wohnen.
Ein letzter Punkt zu dem, was leider nicht im Bericht steht. Die CDU setzt ja insbesondere auf das Mantra „Bauen, Bauen, Bauen“. Aber eine der zentralen Fragen ist doch: Wer baut für wen? Gebaut wird dort, wo der meiste Profit entsteht. Und den bringen eben nicht Rentner, Studenten, Erwerbslose oder Geringverdiener. Im Moment wird für Leute mit viel Geld gebaut. Deswegen fordern wir als Linke beispielsweise die Einführung einer neuen Gemeinnützigkeit. Gemeinnütziger und nicht profitorientierter Wohnungsbau - das ist das Gebot der Stunde.
Das Ende der Fahnenstange ist übrigens noch nicht erreicht. Finanzberater empfehlen ja nach wie vor unverblümt: Investieren Sie in Rohstoffe in Madagaskar oder in Mietwohnungen in Berlin. Deswegen sagen wir als Linke: Wir brauchen nicht nur eine effektive Mietpreisbremse, sondern vor allen Dingen auch eine Spekulationsbremse.
Ein massiver Neustart im sozialen Wohnungsbau, mehr öffentliches Eigentum und mehr Gemeinnützigkeit - das wäre die beste Spekulationsbremse.
Meine Damen und Herren, wir müssen endlich umsteuern. Wir als Linke haben vor fünf Jahren als Erste eine Offensive für eine neue Mietenpolitik gefordert. Ihnen liegt heute ein umfangreicher Antrag zur Abstimmung vor. Ich hoffe wirklich auf Ihre Zustimmung. Wir sollten heute tatsächlich sinnvolle Dinge beschließen. Dafür haben wir Vorschläge gemacht. Dem Reden über bezahlbares Wohnen müssen endlich konkrete Taten folgen.
Vielen Dank.