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Banken und Spekulanten an Kosten beteiligen

Archiv Linksfraktion - Rede von Gregor Gysi,

Gregor Gysi in der Debatte über die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zu den Maßnahmen zum Erhalt der Stabilität der Währungsunion (Griechenland-Rettungspaket) und zu dem bervorstehenden Sondergipfel der Euro-Länder am 7. Mai 2010 in Brüssel

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Frau Bundeskanzlerin, bei der Bild-Zeitung und anderen „Qualitätsmedien“ gingen Sie als die No-Kanzlerin in Bezug auf Hilfe für Griechenland ein. Ich glaube, noch auf dem Parteitag der FDP wurde beschlossen, auf gar keinen Fall Geld für Griechenland vorzusehen.

(Zurufe von der FDP: Nein!)

Nun wollen Sie Milliarden für Griechenland beschließen und vergessen, zu erwähnen, wie viele Milliarden davon wieder in die Hände der Spekulanten fallen. Das ist nämlich das eigentliche Problem, mit dem wir es zu tun haben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben im September 2008 hier über eine Finanzkrise geredet, die niemand gesehen hat. Wir haben Ihnen recht frühzeitig gesagt, dass daraus Staatskrisen werden können, und zwar über Schuldenkrisen bestimmter Staaten. Das, was wir jetzt in Griechenland erleben, droht auch anderen Ländern, wie wir wissen, wenn wir an Irland, Italien, Spanien und Portugal denken. Jedes Mal legen Sie Ihre Hände in den Schoß und machen erst einmal nichts, um dann innerhalb einer Woche Milliarden zur Verfügung zu stellen, wie damals bei den Banken 480 Milliarden Euro innerhalb einer Woche. So kann man mit unserer Bevölkerung meines Erachtens nicht umgehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Anlässlich der Finanzkrise, die logischer- und konsequenterweise in die jetzige Krise führen musste, haben wir Ihnen viele Schritte vorgeschlagen, die man gehen muss, um das zu verhindern. Wir waren es, die am 16. März 2010 Herr Steinmeier, das ist auch für Sie interessant den Antrag „Eurozone reformieren Staatsbankrotte verhindern“ eingebracht haben. Wir haben darauf hingewiesen, dass das Ganze passieren kann und haben Maßnahmen vorgeschlagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die erste Lesung war am 25. März. Was haben Sie, Frau Bundeskanzlerin ich weiß nicht, wohin Sie gegangen sind; ach, in die letzte Reihe; das ist gut ,

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

am 25. März 2010 gesagt? Sie haben gesagt:
Wir stellen fest: Es ist noch kein Euro und kein Cent für die Unterstützung Griechenlands ausgegeben worden. Bislang ist Griechenland nicht zahlungsunfähig geworden. Auch sind düstere Vorhersagen über die Entwicklung in anderen Mitgliedstaaten nicht Realität geworden. ... Deshalb sage ich
- also die Bundeskanzlerin :
Ein guter Europäer ist nicht unbedingt der, der schnell hilft. Ein guter Europäer ist der, der die europäischen Verträge und das jeweilige nationale Recht achtet und so hilft, dass die Stabilität der Eurozone keinen Schaden nimmt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Am Freitag wollen Sie nun die Milliardenhilfen beschließen; das ist die Wahrheit.
(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben Ihnen gesagt: Verbieten Sie die Hedgefonds, die nur herumspekulieren. Sie wurden übrigens von SPD und Grünen zugelassen; damit man auch diese Wahrheit hier einmal erwähnt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir haben das abgelehnt. Herr Steinbrück hat noch bei Frau Illner erklärt: Wir standen vor der Frage, Kreisklasse zu bleiben oder Weltklasse zu werden. Eine Weltklasse-Krise haben wir dafür bekommen. Vielen Dank, Herr Steinbrück.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben Ihnen gesagt: Die Zweckgesellschaften der Banken müssen unter Kontrolle gestellt werden. Sie haben es nicht gemacht.
Wir haben gesagt: Es gibt drei große private Ratingagenturen, die über alle Werte der Finanzwelt entscheiden, auch über die Werte der Staaten. Die Agenturen waren nachweislich bestechlich. Deshalb haben wir gefordert: Schaffen Sie eine europäische, staatliche Ratingagentur, die verlässlich ist. Sie haben es nicht gemacht.
Wir haben gesagt: Verbieten Sie Leerverkäufe! Tatsächlich: Leerverkäufe waren anderthalb Jahre lang verboten. Vielleicht ein paar Worte dazu, was Leerverkäufe sind: Man geht an die Börse und spekuliert darauf, dass Kurse fallen. Das heißt, man macht aus der Börse ein Spielkasino. Dafür war die Börse ursprünglich gar nicht gedacht. Wir haben gesagt: Das sind Spekulationsgewinne, die zur Krise führen; man muss das verbieten. Herr Bundesminister Schäuble, Leerverkäufe waren in Deutschland anderthalb Jahre lang verboten. Warum haben Sie sie zu Beginn dieses Jahres wieder erlaubt? Griechenland hat sie inzwischen verboten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben gesagt, dass wir die Tobin-Steuer, eine sogenannte Transfersteuer, brauchen. Herr Steinmeier, jetzt reden Sie auch von dieser Steuer, aber als Sie mit den Grünen regiert haben, haben Sie sie nicht eingeführt. Danach haben Sie unsere Anträge zu der Steuer abgelehnt. Es ist schön, dass Sie jetzt in Opposition zu Ihrer Regierung gehen. Es ist schön, dass Sie jetzt nach dem Primat der Politik rufen, das Sie zusammen mit den Grünen in Deutschland abgebaut haben. Lassen Sie uns jetzt gemeinsam dafür streiten, dieses Primat wiederherzustellen!

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben Ihnen eine Bankenabgabe vorgeschlagen. Morgen werden wir namentlich über diese Bankenabgabe abstimmen. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, nur das zu tun, was Herr Obama vorschlägt, weil wir wissen, dass Sie keine linke Mehrheit sind und damit keine vernünftige Politik machen können.

(Lachen des Abg. Dr. Erik Schweickert (FDP))

Wir dachten aber, wir kämen Ihnen damit entgegen; denn wir haben nur gefordert, das zu machen, was Herr Obama macht. Das ist doch nicht zu viel verlangt. Obama ist der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, kein Linker, kein Sozialist. Wir werden aber erleben, dass Sie dazu Nein sagen. Ich sage Ihnen auch, warum: Durch Einführung der Obama-Abgabe bekämen wir von allen privaten Banken, die direkt oder indirekt staatliches Geld erhalten haben, jährlich 9 Milliarden Euro und könnten sie damit an den Kosten beteiligen; aber das wollen Sie nicht.

Sie wollen eine klitzekleine Abgabe von allen Banken, auch von den Banken, die gar kein Geld bekommen haben, von den Sparkassen, Volksbanken und Raiffeisenbanken. Das ist überhaupt nicht hinnehmbar. Die müssen nichts zahlen; denn sie haben weder direkte noch indirekte Leistungen vom Staat erhalten.

(Beifall bei der LINKEN Volker Kauder (CDU/CSU): Die Deutsche Bank muss bezahlen?)

Die Deutsche Bank muss bezahlen, andere Privatbanken auch.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Ja, warum?)

Was wollen Sie machen? Sie wollen einen Zukunftsfonds bilden. Herr Kauder, ich bitte Sie! Da soll etwas eingezahlt werden, damit wir Geld für die nächste Krise haben. Sie wollen hier jährlich 1,2 Milliarden Euro einnehmen. Denken Sie an die Garantien in Höhe von 480 Milliarden Euro! Man bräuchte über 400 Jahre, um auf den Betrag zu kommen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist keine Lösung. Nein, die Banken und die Spekulanten sollen jetzt an den Kosten beteiligt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Genau das verweigern Sie.
Sie haben nichts gegen die Ursachen der Krise getan.
Die Deutsche Bank hat schon wieder einen Gewinn erzielt: 2,8 Milliarden Euro im ersten Quartal 2010. Ackermann bekommt sofort wieder einen Bonus ausgezahlt. Ich weiß, er wird immer zum Essen eingeladen. Ich sage Ihnen, wo das Problem liegt. Wissen Sie, weshalb die Deutsche Bank Gewinn gemacht hat? Das kann ich Ihnen genau sagen: Die Deutsche Bank hatte eine Forderung gegen die HRE in Höhe von 10 Milliarden Euro. Die HRE war aber pleite. Hätte die Deutsche Bank die Forderung abschreiben müssen, hätte sie auch keinen Gewinn gemacht, hätte Ackermann auch keine 10 Millionen Euro bekommen. Nun haben wir, das heißt Sie, die HRE verstaatlicht, aber nur die HRE. Damit haben die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler der Bundesrepublik Deutschland es übernommen, die 10 Milliarden Euro an die Deutsche Bank zu zahlen. Deshalb hat die Deutsche Bank Gewinn gemacht.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie schüttet den Gewinn rein privat aus.
Wir haben damals gesagt: So geht das nicht.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Ach, herrje! Kasperletheater in anspruchsvoller Aufführung!)

Deshalb haben wir das schwedische Modell vorgeschlagen: Man muss alle Banken vergesellschaften, damit die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht nur die Schulden übernehmen, sondern auch die Einnahmen erhalten, zumindest so lange, bis alles zurückgezahlt ist, was an Steuergeldern zur Verfügung gestellt worden ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit kommen wir zu Griechenland und Europa. Was macht die Deutsche Bank, was machen alle anderen deutschen Banken? Sie gehen zur Europäischen Zentralbank. Da erhalten sie Kredite, für die sie einen einzigen Prozent Zinsen bezahlen müssen. Dann kaufen sie griechische Staatsanleihen. Für die bekommen sie inzwischen 9 Prozent Zinsen, ein Riesengewinn ohne jede Leistung. Dann gehen sie zu einer Kreditausfallversicherung und schließen eine Versicherung für den Fall ab, dass Griechenland nicht pünktlich zahlt; die Versicherung soll dann das Geld zahlen. Dann rennen viele zur Kreditausfallversicherung und schließen Wetten ab. Sie sagen: Wir glauben, dass Griechenland nicht pünktlich zurückzahlt. Sie können 1 Million Euro einzahlen, und wenn sie recht hatten, bekommen sie 2 Millionen Euro ausgezahlt. Wenn sie nicht recht haben, dann haben sie Pech und sind 1 Million Euro los. Das sind die Spekulationsblasen, die uns nachher um die Ohren fliegen! Deshalb sagen wir: Kreditausfallversicherungen müssen verboten werden. Es ist nicht hinnehmbar, was dort läuft.

(Beifall bei der LINKEN)

Die größten Gläubiger Griechenlands sind übrigens die Banken Frankreichs, der Schweiz und Deutschlands. Was Sie nie erzählen, ist: Wenn wir Griechenland Geld geben, dann fließt es an die deutschen Banken zurück. Das ist der Weg, der gegangen wird. Das müssen wir ehrlich benennen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Es gab übrigens die Forderung, dass die Banken in Deutschland, in der Schweiz und in Frankreich ihre Forderungen gegenüber Griechenland stornieren könnten. Wenn sie das machten, wäre Griechenland schon fast aus der Krise heraus. Dann müssten keine Hilfspakete in Milliardenhöhe beschlossen werden. Sie haben uns das nicht geglaubt, sie haben das Kurt Biedenkopf nicht geglaubt, der Ihnen das beschrieben hat. Sie haben auch nicht auf ein Schreiben der BaFin vom 20. Februar 2010 reagiert, in welchem die Krise vorhergesagt wurde. Sie haben nichts gemacht. Sie haben das alles verzögert, weil Sie keine Regulierung wollen, weil Sie sich aus ideologischen und lobbyistischen Gründen so sehr dagegen wehren, endlich ein Primat der Politik über die Finanzwelt zu stellen und zu sagen: So darf es gemacht werden, anders lassen wir es nicht mehr zu.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben Griechenland einen Weg aus der Krise aufgezeigt, den Sie für Deutschland ausschließen: Renten kürzen, später in Rente gehen, Löhne kürzen, Mehrwertsteuer erhöhen. Das ist nicht nur sozial unerträglich, sondern damit organisieren Sie eine Rezession, eine schwere Wirtschaftskrise. Dann müssen weitere Milliardenhilfen gezahlt werden. Der Weg, den Griechenland beschreiten soll, ist ökonomisch blödsinnig. Ihre Ansichten können wir nicht teilen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe zur Kenntnis genommen, dass so getan wird, als ob es große Unterschiede zwischen CDU/CSU und FDP auf der einen Seite und SPD und Grüne auf der anderen Seite gebe, aber letztlich sind Sie doch dabei, eine gemeinsame Entschließung zu verabschieden. Sie werden auch das Gesetz gemeinsam verabschieden. Wie beim Afghanistan-Krieg, Hartz IV, der Rentenkürzungen schwimmen sie wieder in der alten Konsenssoße. Sie gehen diesen Weg, aber ich sage Ihnen: Er wird nichts bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Übrigens ist Deutschland insofern den Weg Griechenlands gegangen, als dass wir die einzige kapitalistische Industrienation sind, die in den letzten zehn Jahren die Reallöhne um 11,3 Prozent und die Realrenten um 8,5 Prozent gekürzt hat. Auch dafür werden wir noch teuer bezahlen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern lassen Sie mich das zum Abschluss sagen : Erstens. Die Spekulationsinstrumente - Leerverkäufe und Kreditausfallversicherungen - müssen verboten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Hedgefonds, also Heuschrecken müssen ebenfalls verboten werden. Zweckgesellschaften der Banken sind zu kontrollieren. Wechselkurse müssen festgelegt werden.
Drittens. Wir brauchen die Schaffung einer staatlichen europäischen Ratingagentur, die die käuflichen Privaten ins Abseits schiebt.
Viertens. Griechenland muss auf Jahre auf jeden Waffenimport verzichten.

(Beifall bei der LINKEN)

Fünftens. Griechenland und andere EU-Länder müssen endlich gerechte Steuern für Bestverdienende, Vermögende, Banken und große Unternehmen einführen.
(Beifall bei der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege.

Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Wir brauchen für die Binnenmärkte endlich eine Börsenumsatzsteuer und für die internationalen Finanzgeschäfte endlich eine Tobin- oder Transfersteuer.
Sechstens. Zumindest in Deutschland und allen anderen Euro-Ländern muss eine Bankenabgabe eingeführt werden, wie sie Obama für die USA vorgeschlagen hat, damit die Gewinner der Krise endlich für die von ihnen verursachten Schäden bezahlen müssen. Wir werden morgen im Bundestag darüber namentlich abstimmen. Auch Spekulanten und Finanzprofiteure müssen zur Kasse gebeten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege.

Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Siebtens und letztens. Wir brauchen in Europa eine Wirtschaftsregierung, damit in der EU Schritt für Schritt bestimmte Standards durchgesetzt werden. Wir brauchen eine Abstimmung hinsichtlich der Steuern, der Löhne, der ökologischen und der sozialen Mindeststandards. Wenn es das alles nicht gibt, dann gibt es von uns auch keine Zustimmung für das Gesetz.

(Anhaltender Beifall bei der LINKEN)