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BAföG-Reform zügig umsetzen

Archiv Linksfraktion - Rede von Nicole Gohlke,

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen!

Das Thema BAföG zeigt wie so viele andere Themen – Vor­ratsdatenspeicherung, Energiewende oder Zuwande-rung –, wie tief die Gräben in der Großen Koalition sind. Wenn man sich die Schärfe der Auseinandersetzung und die gegensätzlichen Positionen von SPD und Union an­hört, dann wird auch klar, warum das Thema BAföG im Koalitionsvertrag – angeblich – vergessen wurde. Sie mussten es offenbar ausklammern, damit die Koalition überhaupt zustande kommt.

(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das ist Unsinn!)

Jetzt haben SPD und Union zwar einen Koalitionsver­trag; den Preis dafür zahlen aber die Studierenden. Für die steigen seit Jahren die Lebenshaltungskosten, seit Jahren explodieren die Mieten, und seit Jahren decken die BAföG-Sätze das nicht mehr ab.

(Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Das stimmt gar nicht! – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Sie kennen den BAföG-Bericht nicht!)

Die 20. Sozialerhebung des Studentenwerks hat dazu ja die aktuellen Zahlen geliefert. 54 Hochschulstädte wur­den betrachtet. Nur in Chemnitz lagen die Wohnkosten unterhalb der Pauschale von 224 Euro, die im BAföG-Satz dafür vorgesehen ist. Überall sonst sind die Ausga­ben für Miete und Nebenkosten höher, und Wohnheim­plätze sind absolute Mangelware. Die 448 Euro, die die BAföG-Geförderten im Durchschnitt bekommen, rei­chen also offensichtlich vorne und hinten nicht aus. Das muss sich dringend ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde, es ist einfach skandalös, dass es die Bun­desregierung in so einer Situation und bei so einer Fak­tenlage fertigbringt, die Ergebnisse des aktuellen BAföG-Berichts dann auch noch als Erfolg zu verkau­fen. Da feiert sich das Ministerium doch ernsthaft dafür – „abfeiern“ müsste man eigentlich sagen –, dass die Zahl der BAföG-Empfänger auf dem höchsten Stand seit 30 Jahren ist, vergisst dabei aber zu erwähnen, dass auch die Zahl der Studierenden wegen doppelter Abiturjahr­gänge, geburtenstarker Jahrgänge und gestiegener Stu­dierneigung auf einem Höchststand ist. Das ist aber bei­leibe nicht das Verdienst dieser Regierung.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mit irgendwelchen Tricks machen Sie dann aus weni­ger mehr. Mit irgendwelchen Tricks machen Sie aus einer eigentlich sinkenden Gefördertenquote eine stei­gende. Fakt ist aber doch, dass 2012 von den knapp 2,4 Millionen Studierenden gerade einmal 440 000 BAföG bezogen haben. Das sind die Zahlen. Eine einfache Rechnung genügt, um festzustellen: Das sind mickrige 18,7 Prozent. Wenn die Regierung jetzt auf 28 Prozent kommt, ist das schlicht Rechentricks geschuldet. Damit machen Sie vielleicht Ihre Statistiken schöner, aber eben nicht die Wirklichkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu Recht wird jetzt schon fast einmütig eine BAföG-Erhöhung gefordert. Sogar Frau Wanka wird ja nicht müde, zu wiederholen, dass eine BAföG-Reform kom­men werde. Man fragt sich eben nur: Wann und wie? Die SPD fordert völlig richtig, die Lastenverteilung beim BAföG so zu ändern, dass der Bund die gesamten Kos­ten trägt, weil sonst eine Erhöhung wohl angesichts der kommenden Schuldenbremsen an den klammen Länder­haushalten scheitern könnte.

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Für den Bund gilt auch eine Schuldenbremse!)

Da beißt die SPD bei ihrem Koalitionspartner aber auf Granit. Die Union weist die SPD-Vorschläge rüde zu­rück. Ministerin Wanka erklärt, die SPD wolle sich aus der Verantwortung ziehen.

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Sie reden doch von Kooperation! Das ist gelebte Koope­ration!)

Und Sie, Herr Rupprecht, sagen, es gebe für eine andere Aufteilung keinen Grund, weil die Schuldenbremse schließlich auch für den Bund gelte.

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Genau so ist es!)

Herr Rupprecht, die Schuldenbremse ist ja nicht vom Himmel gefallen.

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Stuss!)

Die haben Sie mit den Stimmen aller Parteien mit Aus­nahme der Linken eingeführt.

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Eine histori­sche Leistung! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Grünen haben auch nicht zugestimmt!)

Sie entpuppt sich immer mehr als eine soziale Bremse und als eine Bildungsbremse.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist schon krass, wie Sie einfach über die katastro­phale Situation der Länderhaushalte hinweggehen. Ge­rade hat Sachsen-Anhalt die Zuschüsse für die Studen­tenwerke mehr als halbiert. Die Konsequenzen tragen natürlich wieder die Studierenden. Die zahlen jetzt hö­here Semesterbeiträge und mehr für Wohnheim und Mensaessen. Der Bund hätte im Gegensatz zu den Län­dern ja auch die Möglichkeit, die Einnahmen zu erhö­hen. Er könnte Steuern erhöhen und damit zur Abwechs­lung auch einmal die Reichen treffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das war ja auch die Forderung der SPD – vor der Wahl natürlich –, weil sie weiß, dass man substanzielle Ver­besserungen ohne Steuergerechtigkeit nicht finanziert bekommt. Da kann ich nur sagen: Augen auf bei der Wahl des Koalitionspartners!

(Beifall bei der LINKEN)

Kolleginnen und Kollegen, das BAföG ist unbestrit­ten die zentrale Säule der Studienfinanzierung. Deswe­gen hat die Linke einen Antrag für eine umfassende und zügige Reform des BAföG eingebracht. Lassen Sie uns das unsoziale Stipendienprogramm, das Deutschlandsti­pendium, das es in diesen Koalitionsvertrag geschafft hat, endlich zu den Akten legen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist ein sehr gutes Programm!)

Von diesem Deutschlandstipendium profitieren bislang nicht einmal 0,6 Prozent der Studierenden.

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sie können sich doch auch mal beteiligen!)

Es wird ja mittlerweile auch vom Bundesrechnungshof kritisiert, weil gerade einmal 60 Prozent der Gelder tat­sächlich bei den Studierenden ankommen, während der Rest für Werbung, PR und Verwaltung rausgeschmissen wird.

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht!)

Die Linke fordert stattdessen eine Erhöhung der BAföG-Sätze und Freibeträge um mindestens 10 Pro­zent. Das würde endlich den gestiegenen Lebenshal­tungskosten der Studierenden Rechnung tragen, und es würde den Kreis der BAföG-Empfängerinnen und -Emp­fänger ausweiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen, dass das BAföG wieder in einen Vollzu­schuss umgewandelt wird, damit sich junge Menschen nicht durch das Studium verschulden müssen. Das BAföG muss endlich an die veränderten Studienbedin­gungen im Bologna-System angepasst werden. Master­studiengänge müssen uneingeschränkt gefördert werden können, und die Altersgrenzen müssen abgeschafft wer­den.

(Beifall bei der LINKEN)

Kolleginnen und Kollegen, die Studierenden, die üb­rigens heute hier von einer Delegation des studentischen Dachverbandes fzs, deren Mitglieder ich an dieser Stelle ganz herzlich grüßen möchte, vertreten werden, erwarten von Ihnen ein schnelles Handeln, das ihre Situation sub­stanziell verbessert. Muten Sie den Studierenden nicht eine weitere Hängepartie mit ewigen Verhandlungen

(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Mir kommen gleich die Tränen!)

zwischen Bund und Ländern oder jetzt zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD zu! Sie haben hier die Chance, schnell und unbürokratisch unserem Antrag zuzustimmen. Damit könnten Sie jetzt nachholen, was Sie in den Koalitionsverhandlungen so sträflich ver­säumt haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)