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Aufstockung des Hochschulpakts - Längst überfällig und doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein

Archiv Linksfraktion - Rede von Nicole Gohlke,

 Herr Präsident / Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen,

die Bundesregierung hat eine Aktuelle Stunde aufgesetzt zum Thema „Studienplatzfinanzierung" und sie ist offenbar der Meinung, dass das schon eine kleine Feier wert ist, wenn sie sich einmal in ihrer Politik an gesellschaftliche Realitäten annähert!

Aber mal zur Erinnerung, damit Sie die letzten Jahre nicht ganz aus dem Blick verlieren:

Jahr für Jahr kommen mehr StudienanfängerInnen an die Hochschulen und finden dort immer schlechtere Studienbedingungen vor: überfüllte Seminare, Bibliotheken, die nur wenige Stunden am Tag geöffnet haben, zu wenig Professorinnen und Professoren, völlig überlastete und unterbezahlte Lehrende. Und Tausende von Studienbewerberinnen und Bewerber haben überhaupt keinen Studienplatz bekommen und wurden von den Hochschulen abgewiesen.

Jahr für Jahr haben Studierende und Lehrende – teilweise mit heftigen Protesten und Streiks – die Bundesregierung auf ihre Situation aufmerksam gemacht.
Und Jahr für Jahr haben Expertinnen und Experten die Berechnungen der Bundesregierung zur Studienplatzfinanzierung in Frage gestellt. Denn die Tatsache, dass die Koalition über Jahre hinweg zu niedrige Studienanfängerzahlen zugrunde gelegt hat, Jahr für Jahr also an den realen Bedarfen vorbeigeplant hat, das war dafür verantwortlich, dass die Situation an den Hochschulen immer zugespitzter wurde.

Und all das ist kein Grund zu feiern, sondern es ist politisch verantwortungslos!

Man muss sich die Fehlplanungen der Regierung in den letzten Jahren einmal auf der Zunge zergehen lassen:
Für die 1. Phase des Hochschulpaktes, zwischen 2007 und 2010, plante die Bundesregierung mit 91.000 zusätzlichen Studienplätzen. Tatsächlich kamen aber mehr als 185.000 Studienanfänger an die Hochschulen – mehr als doppelt so viele wie berechnet.
Bei Phase 2 des Hochschulpaktes, von 2011 bis 2015, ging man von 275.000 Studienplätzen aus. Zweimal musste die ursprüngliche Fassung korrigiert werden, um auf die Aussetzung der Wehrpflicht und auf die doppelten Abiturjahrgänge zu reagieren. Und die aktuellste Prognose rechnet jetzt mit fast 624.000 zusätzlichen Studienanfängern – das sind wieder doppelt so viele wie ursprünglich geplant.

Hätte es nicht so dramatische Auswirkungen auf die Situation der Studierenden und Lehrenden, dann wäre die serielle Rechenschwäche der Bundesregierung fast schon lustig.

DIE LINKE hat schon im September letzten Jahres mindestens 600.000 zusätzliche Studienplätze gefordert, unsere Anträge dazu hat die Regierung allerdings mit dem Verweis auf „Planwirtschaft" abgelehnt – da kann ich nur sagen: schön, dass Sie jetzt auch endlich selbst mal anfangen, ein wenig zu planen!

Dass die neue Bildungsministerin nun tatsächlich das erste Mal halbwegs realistische Studienanfängerzahlen zugrunde legt, ist natürlich ein Fortschritt. Von der Rechenschwäche kann sich aber auch Frau Wanka nicht ganz verabschieden – denn diesmal sind die Studienplatzkosten falsch berechnet. Die Bundesregierung rechnet mit 6500€ pro Studienanfänger und pro Jahr – schon jetzt kostet ein Studienplatz im Schnitt aber 7200€ – und wenn man nur ein bisschen qualitative Verbesserungen wollte, dann ist auch dieser Wert zu niedrig angesetzt – Sie schaffen so Dumping-Studienplätze und keine Qualität!
DIE LINKE fordert, die Mittel pro geschaffenen Studienplatz auf mindestens 8640€ zu erhöhen!

Und was die Regierung natürlich völlig ausspart, ist jeglicher soziale Aspekt – so als hätte die Frage, ob Studierende ein Dach über dem Kopf haben oder die Miete zahlen können, oder wie viel sie neben dem Studium arbeiten müssen, keinerlei Bedeutung – und so wird die angekündigte BAföG-Reform von der Bundesregierung en passant auf nach der Bundestagwahl verschoben.

Die Studierenden brauchen die Erhöhung aber nicht erst nach der Wahl: niemand kann mit den durchschnittlichen BAföG-Sätzen sein Leben bestreiten.
Eine Erhöhung der Regelsätze und Freibeträge um mindestens 10% ist absolut überfällig!

Und fest steht doch auch eins: der Hochschulpakt ist keine dauerhafte Lösung. Diesmal geht ihre Planung nur bis 2015. Was kommt denn danach? Hofft die Regierung da wieder auf ein Wunder und auf sinkende Studierendenzahlen?

Die Hochschulen brauchen endlich finanzielle Planungssicherheit, nur so können sie in die Lage versetzt werden, verlässliche und gute Studienbedingungen anzubieten.

Es ist in der Verantwortung des Bundes, das dauerhaft zu gewährleisten, und es ist in der Verantwortung der Bundesregierung, dazu mal politische Vorschläge zu machen!

Der ständige Versuch der Bundesregierung, die Verantwortung an die Länder abzugeben, hilft auf jeden Fall nicht weiter. Es ist offenkundig, dass es vielen Ländern schwer fällt in Zeiten von Schuldenbremse und in Zeiten sinkender Steuereinnahmen ihre Mitfinanzierungspflichten zu erfüllen.

Der Bund hat die Möglichkeiten über die Steuergesetzgebung neue Einnahmequellen zu erschließen – die LINKE macht Vorschläge, wie der Reichtum in diesem Land gerechter verteilt werden kann. Mit einer Millionärssteuer und einer Erhöhung von Erbschaftssteuer und Unternehmenssteuern wäre die dauerhafte Finanzierung von Studienplätzen auf jeden Fall kein Problem!

Vielen Dank!

Es gilt das gesprochene Wort.