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Foto: Rico Prauss

Aufstehen für mehr Mitmenschlichkeit

Archiv Linksfraktion - Rede von Dietmar Bartsch,

Rede in der 157. Sitzung des Bundestages in der Vereinbarten Debatte "Zu den Ereignissen von Clausnitz und Bautzen" 

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will zunächst ausdrücklich Danke an die Grünen sagen, die die Aktuelle Stunde sehr schnell beantragt haben. Es ist auch gut, dass wir zu einer vereinbarten Debatte gekommen sind. Meine Fraktion hatte am Sonntag gefordert, dass es eine Regierungserklärung gibt;

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

wir haben ja jetzt ungefähr wöchentlich Regierungserklärungen; das ist angesichts all der Themen auch richtig und notwendig. Und im Übrigen: In dieser Frage schaut Europa auch auf uns.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Meine Damen und Herren von der Koalition, dass Sie von der Opposition gezwungen werden müssen, dass das hier Thema wird, und dass dann auch noch, wie die Kollegin eben sagte, wirklich kein Minister, nicht einmal der Innenminister, hier ist, das ist wirklich skandalös.

Kein Minister findet es notwendig, hier anwesend zu sein? – Dann kann ich Ihre Worte nur begrenzt ernst nehmen, Herr Krings. Das ist nun mal leider so.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Nehmen Sie grundsätzlich keinen Staatssekretär ernst, oder was?)

Allein die schlichte Tatsache, dass es im letzten Jahr bundesweit über 1 000 Straftaten gegenüber Flüchtlingsunterkünften gegeben hat - fünfmal mehr als im Jahr davor -, ist doch Grund genug, hier anwesend zu sein. In Deutschland applaudiert der Mob, wenn die Flüchtlingsunterkünfte brennen. Meine Damen und Herren, wo sind wir hingekommen?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Krings, ich will ausdrücklich betonen, dass wir uns in einer Frage einig sind: Diese Vorfälle in Clausnitz und Bautzen sind verabscheuungswürdig, sind widerlich und sind eine Schande für unser Land. - Aber, meine Damen und Herren, es ist kein Zufall, dass diese Vorfälle in Sachsen geschehen - erst Heidenau und Freital, dann Bautzen und Clausnitz, jeden Montag Pegida in Dresden. All das ist auch Ergebnis einer verhängnisvollen Politik, die unter CDU-Verantwortung in Sachsen über 25 Jahre hinweg gemacht wird.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das geht im Übrigen schon auf die Überzeugung des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf zurück, der festgestellt hat, Sachsen sei „immun gegenüber rechtsradikalen Versuchungen“ - das ist ein O-Ton. Über Jahre hat die CDU hier ja Verharmlosung betrieben und Ignoranz an den Tag gelegt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich will Ihnen nur ein paar wenige aktuelle Beispiele nennen:

Erstens. Ein sächsischer Landtagsabgeordneter der CDU namens Krauß hat den Vorwurf der Amadeu-Antonio-Stiftung zurückgewiesen, dass sächsische Landespolitik Nazis groß mache. Das sei zwar kein neuer Vorwurf, bleibe aber trotzdem Unsinn, sagte Herr Krauß in der Jungen Freiheit - der Mann merkt offensichtlich nichts.

Zweitens. Es ist auch absolut unverständlich, dass die Sächsische Staatskanzlei zu einer Dankveranstaltung für Helferinnen und Helfer einen Menschen des Pegida-Vorstandes einlädt. Das ist doch kein Zufall, meine Damen und Herren.

(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist irre!)

Drittens. Bei dem Asylbewerberheim in Clausnitz war ein AfD-Mitglied Chef, und der Bruder organisierte die Proteste gegen die Ankommenden und Hilfesuchenden.

Das waren nur drei Beispiele. All das ist aber kein Wunder. So hat der Ministerpräsident, Herr Tillich, der verantwortlich ist, gesagt: „Der Islam gehört nicht zu Sachsen.“ Das ist der Mann, der diese Rechten mit der Bürgerbewegung Stuttgart 21 gleichsetzt. Meine Damen und Herren, wo leben wir denn?

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Herr Krings, wenn Sie sagen, anhand einer Videosequenz könne man den Polizeieinsatz in Clausnitz nicht beurteilen, dann will ich Ihnen entgegenhalten: Aber Ihr Innenminister konnte das. - Ich will Ihnen auch deutlich sagen: Traumatisierte Flüchtlingskinder, die so Schreckliches erlebt haben, nimmt man in den Arm und nicht in den Würgegriff.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist und bleibt notwendig, dass demokratische Kräfte hier Haltung zeigen und klarmachen, dass die Menschen, die zu uns kommen, anständig behandelt werden. Unsere Solidarität - ich hoffe, die Solidarität des ganzen Hauses - muss all jenen gelten, die gegen rassistische Hetze auf die Straße gehen und die Flüchtlingshilfe unterstützen. Da meine ich die Kirchen genauso wie die Antifa-Bewegung, Nachbarschaftsinitiativen und viele andere Menschen mehr in diesem Land. Die müssen wir stärken.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Im Übrigen sage ich Ihnen: Meine Partei steht in Sachsen an deren Seite. Es ist kein Zufall, dass die meisten Abgeordnetenbüros, die in Sachsen angegriffen werden, Büros der Linken sind. Das ist wirklich kein Zufall, meine Damen und Herren.

Und deshalb ‑ letzter Satz ‑: Ja, ich bin für Entschlossenheit. Lassen Sie uns die gemeinsame Botschaft nach außen tragen, dass wir aufstehen müssen für mehr Mitmenschlichkeit in unserem Land und in Europa.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)