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Auch Geflüchtete und Asylsuchende brauchen medizinische Versorgung ohne Diskriminierung

Archiv Linksfraktion - Rede von Kathrin Vogler,

Rede von Kathrin Vogler, MdB (DIE LINKE) im Deutschen Bundestag am 25.02.2016 zur Beratung des Antrags "Medizinische Versorgung für Geflüchtete und Asylsuchende diskriminirungsfrei sichern"; BT-Drs. 18/7413

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute Morgen haben wir in diesem Haus über Asylpolitik debattiert. Dabei wurde deutlich, dass die Große Koalition bei dem Ziel, Flüchtlinge möglichst schnell abzuschieben, auch auf traumatisierte und kranke Menschen kaum noch Rücksicht nimmt. Wir finden das weder christlich noch sozial. Deswegen lehnt die Linke das ab.

(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Das stimmt ja auch nicht!)

Wenn ich vor Ort mit Aktiven aus der Flüchtlingshilfe spreche, dann sind die großen Probleme in der Gesundheitsversorgung ein großes Thema. Das liegt am Asylbewerberleistungsgesetz. Nach diesem Gesetz ist nämlich medizinische Versorgung grundsätzlich nur dann zu gewähren, wenn es sich um Schwangerschaft, Entbindung, akute Erkrankungen und Schmerzzustände handelt. Oft verweigern die zuständigen Behörden und Gerichte die Behandlung einer chronischen Erkrankung sogar dann, wenn körperliche Unversehrtheit oder sogar das Leben bedroht sind.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unverantwortlich!)

Ein besonders drastisches Beispiel vom Verwaltungsgericht Gera: Ein junger Mann aus Bangladesch leidet an einer Hüftgelenksnekrose. Seine beiden Hüftköpfe sind nahezu zerstört. Laufen kann er kaum. Er erleidet ganz schlimme Schmerzen. Medizinisch geboten wäre eine Operation, um die Schmerzen und die Behinderung dauerhaft zu beseitigen. Doch er bekommt nur Opiate, also starke und abhängig machende Schmerzmittel; denn das sei eine chronische Erkrankung, und es bestehe keine Gefahr für Leib und Leben. Ich finde, das ist eine massive Menschenrechtsverletzung.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist ein Verstoß gegen Artikel 12 des UN-Sozialpakts, der in der Bundesrepublik Deutschland seit 40 Jahren geltendes Recht ist. Das ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke fordert darum, dass die Einschränkung auf Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände ersatzlos gestrichen wird. Hierbei steht die Linke übrigens an der Seite der Ärztinnen und Ärzte. Denn sie werden derzeit genötigt, entweder gegen geltendes Recht oder gegen ihre berufliche Ethik zu verstoßen. Das wollen wir ändern. Wir wollen Recht und Ethik endlich wieder in Übereinstimmung bringen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Perspektivisch wollen wir, dass auch die Menschen, die auf der Flucht zu uns kommen, ordentlich krankenversichert sind. Ihre Beiträge soll zunächst der Bund übernehmen. Damit soll er die Kommunen entlasten. Als Übergangslösung sollten alle Menschen zumindest überall in Deutschland eine Gesundheitskarte erhalten, mit der sie jederzeit zum Arzt gehen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Manche Kommunen sorgen sich, dass dann die Kosten aus dem Ruder laufen könnten. Aber aufgrund der Erfahrungen in Hamburg und Bremen können wir das doch inzwischen deutlich widerlegen. Daher ist es genau andersherum: Die Ausstattung der Flüchtlinge mit Gesundheitskarten hat erstens Verwaltungskosten gespart und zweitens auch noch Gesundheitskosten. Denn wenn kranke Menschen gleich zum Arzt gehen können, werden so mancher Rettungswageneinsatz und mancher Krankenhausaufenthalt gar nicht erst nötig.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn was passieren kann, wenn Verwaltungsmitarbeiter ohne medizinische Qualifikation darüber entscheiden müssen, ob ein Flüchtling zum Arzt gehen kann oder nicht, zeigt ein weiteres Beispiel, diesmal aus Zirndorf: Ein Kleinkind litt an einer septischen Hirnhautentzündung. Der Sachbearbeiter erkannte die Schwere der Erkrankung nicht und verweigerte den Eltern, das Kind ins Krankenhaus zu bringen oder einen Notarzt zu rufen. Der Junge lag danach monatelang im Koma und überlebte nur mit schwersten Behinderungen. Dass so etwas in unserem Land passieren kann, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist wirklich eine Schande. Dafür muss man sich schämen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, wie es in Artikel 2 unseres Grundgesetzes steht, gilt aus gutem Grund für alle Menschen. Ich rufe Sie auf: Setzen Sie es mit uns gemeinsam um!

(Beifall bei der LINKEN)