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Auch bei der Rente gilt: Armut vermeiden und vor sozialem Abstieg schützen

Archiv Linksfraktion - Rede von Matthias W. Birkwald,

Rede von Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) zur abschließenden Lesung des Antrages der LINKSFRAKTION „Zur Stabilisierung des Rentenniveaus: Riester-Faktor streichen - Keine nachholenden Rentendämpfungen vornehmen“ (BT-Drs. 17/1145 vom 23.03.2010) am 11.06.2010 im Plenum des Deutschen Bundestages

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Im Gegensatz zu den beiden Kollegen möchte ich heute nicht über das unsägliche Kürzungspaket der Bundesregierung sprechen ‑ um Sparen geht es dabei ja nicht ‑, das bar jeder sozialen Balance ist; dafür gibt es andere Gelegenheiten.

Ja, wir Linken wollen den Riester-Faktor, also den privaten Altersvorsorgefaktor aus der Rentenformel streichen. Ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt. Aber fragen Sie doch einmal diejenigen, die sich tagtäglich um die Sorgen und Nöte der Menschen kümmern, die von Erwerbslosigkeit und Armut betroffen sind und Angst um ihre Zukunft haben: die Sozialverbände und die Gewerkschaften. Die fordern nämlich ebenfalls, den Riester-Faktor zu streichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das gilt für den Sozialverband Deutschland, SoVD, die Volkssolidarität, die Gewerkschaft Verdi und den Sozialverband VdK.

Bleiben wir doch einmal beim VdK. Der Sozialverband VdK ist ein wichtiger und starker Verband mit eineinhalb Millionen Mitgliedern. Seine Präsidentin, Ulrike Mascher, wurde kürzlich mit 90 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Auf der Festveranstaltung zum 60-jährigen Bestehen des VdK sprach sie deutlich an, worum es geht. Herr Kolb, Sie waren dabei. Ich zitiere Frau Mascher, die sagte: Wir brauchen eine Rückbesinnung auf die ‚dynamische Rente’. Durch viele Eingriffe in die Rentenformel und die Einführung diverser Kürzungsfaktoren ist die dynamische Rente nämlich still und heimlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu Grabe getragen worden. ... Wir jedenfalls fordern die Abschaffung des Riester-Faktors, des Nachhaltigkeits- und des Ausgleichsfaktors und damit die Rückkehr zur dynamischen Rente. Recht hat sie, die Frau Mascher.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): Und die Frau hat Ahnung vom Rentenrecht!)

‑ So ist es.

Armut, auch Altersarmut, fällt nicht vom Himmel. Sie ist politisch gemacht. Das hat auch das Deutsche Institut für Altersvorsorge, DIA, in seiner neuesten Studie über die Kaufkraft der Renten in der Zukunft eindrucksvoll dargelegt. Das Deutsche Institut für Altersvorsorge ist übrigens jeder Nähe zur Linken völlig unverdächtig. Die Finanzbranche, die Deutsche Bank AG und andere, tragen dieses Institut. In dieser Studie wird von Kaufkraftverlust gesprochen. Das klingt harmlos. Dabei bedeutet es nichts anderes als drohende Altersarmut und sozialen Abstieg; denn es geht um Summen von bis zu rund 500 Euro für ein typisches Rentnerpaar. Die beiden Autoren reden von einer Einkommenslücke im Alter. Sprich: Das Geld ist schneller zu Ende als der Monat. Das hat zwei zentrale Ursachen:

Erstens. Die Preise für alltägliche Dinge ‑ das bezieht sich zum Beispiel auf die Bereiche Gesundheit, Pflege und Freizeit ‑ steigen schneller als die durchschnittlichen Preise. Genau dafür müssen aber insbesondere Rentnerinnen und Rentner ihr Geld ausgeben.

Zweitens. Die Rentenpolitik der vergangenen zehn Jahre ‑ das gilt für alle Bundesregierungen dieser Zeit ‑ hat wesentlich dazu beigetragen, diese Einkommenslücke zu vergrößern. Die DIA-Studie zeigt deutlich, dass die Riester-Reform und alle nachfolgenden Einschnitte in die Rente eine verheerende Wirkung haben. Diese Diagnose teilen wir Linken.

(Beifall bei der LINKEN)

Doch die Therapie, die das Bankeninstitut empfiehlt ‑ noch mehr private Altersvorsorge ‑, teilen wir ausdrücklich nicht. Das Deutsche Institut für Altersvorsorge handelt aus unserer Sicht wie ein Arzt, der die falsche Medizin verschrieben hat und meint, die Dosis sei zu klein. Das ist aus unserer Sicht eine verhängnisvolle Suchtlogik. Die erhoffte Wirkung der Riester-Reform bleibt aus. Die Einkommenslücke wird dank Riester sogar größer. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wir haben kein Problem mit der Dosierung. Nein, die Therapie ist schlicht falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Eines ist klar: Die private Altersvorsorge nützt vor allem der Versicherungswirtschaft, aber nicht den Menschen, die nach langjähriger Erwerbstätigkeit ein gutes Leben im Alter führen wollen. So sieht es aus. Darum müssen wir

  • den Riester-Faktor streichen,
  • die Rentengarantie zu einem echten Schutz vor Rentenkürzungen machen und nicht nur die Kürzungen in die Zukunft verlagern, Herr Weiß,
  • und wir müssen uns auf das besinnen, was die gesetzliche Rente leisten soll: Armut vermeiden und vor sozialem Abstieg schützen.

Darum geht es.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)