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Altersarmut vorprogrammiert!

Archiv Linksfraktion - Rede von Matthias W. Birkwald,

Rede von Matthias W. Birkwald zur 1. Lesung des Antrages der Fraktion DIE LINKE

„Verbesserung der Rentenanwartschaften von Langzeiterwerbslosen“ (BT-Drs. 17/256)

am 28.01.2010 im Plenum des Deutschen Bundestages

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Mitte der 90er-Jahre wurden für Langzeiterwerbslose noch weit über 200 Euro im Monat in die Rentenkasse eingezahlt. Unter Rot-Grün war es vor zehn Jahren noch knapp die Hälfte. Mit der Einführung des unsäglichen Hartz-IV-Gesetzes vor fünf Jahren sank der Rentenbeitrag für Langzeiterwerbslose auf monatlich 78 Euro. Im gleichen Maße sinken natürlich die Rentenansprüche der Betroffenen.


Doch damit nicht genug: Um weitere 2 Milliarden Euro auf dem Rücken der Langzeitar-beitslosen einzusparen, hat die Große Koalition ohne Gegenstimmen der FDP den Beitrag zur Rentenversicherung nochmals fast halbiert, von 78 Euro auf nur noch 40 Euro pro Monat. Das sind sage und schreibe 80 Prozent weniger als vor 15 Jahren. Das bedeutet: Für ein Jahr Hartz-IV-Bezug erhalten die Betroffenen etwas mehr als 2 Euro Rente. 2 Euro! Damit brauchten Langzeiterwerbslose mehr als 300 Jahre für eine Rente auf Hartz-IV-Niveau. Das ist Altersarmut per Gesetz. Das ist Sozialraub. Das ist völlig inakzeptabel, und das muss ganz dringend wieder geändert werden.


Die Altersarmut von morgen wird auch das Ergebnis dieses langjährigen Sozialabbaus durch SPD und Grüne sowie Union und FDP sein.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was haben wir denn damit zu tun?)


Jedes Jahr mit Hartz-IV-Bezug ist ein verlorenes Jahr für die Alterssicherung langzeiter-werbsloser Menschen. Mit dieser Politik haben Sie die Alterssicherung der Langzeitarbeitslosen ruiniert.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Alles die böse SPD!)


Diese Politik schadet den Betroffenen; denn ihre Altersarmut ist damit vorprogrammiert.
Für die künftigen Rentnerinnen und Rentner gilt Art. 1 des Grundgesetzes genauso wie für alle anderen in Deutschland: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das gilt auch für die Würde von Erwerbslosen, die das Rentenalter erreicht haben. Darum sollten wir alles daransetzen, Armut zu verhindern und Altersarmut gar nicht erst entstehen zu lassen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Rentenkürzungen münden - so sieht es auch der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband - für viele Langzeitarbeitslose zwangsläufig in die Grundsicherung im Alter, also im SGB XII. Damit schieben Sie einen Teil der Kosten der Langzeiterwerbslosigkeit auf die Kommunen ab. Erwerbslosigkeit und ihre Spätfolgen sind aber ein gesamtgesellschaftliches Problem und keines, das den Kommunen übergeholfen werden darf.

(Beifall bei der LINKEN)


Die Minibeiträge reißen Löcher in die Rentenkassen. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger hat schon vor Jahren gewarnt, die Minibeiträge könnten die Kosten, die aus den Ansprüchen aus Reha-Maßnahmen und Erwerbsminderungsrenten entstünden, nicht ansatzweise decken. Ein Grund mehr, umgehend angemessene Beiträge für Langzeiterwerbslose in die Rentenversicherung einzuzahlen.


(Beifall bei der LINKEN)


Der tiefere Sinn der bisherigen Politik scheint mir anders gelagert zu sein. Die fünf Wirt-schaftsweisen des Sachverständigenrates nehmen da kein Blatt vor dem Mund. Sie sagen - ich zitiere -:


Der Zweck dieser aus Steuermitteln finanzierten Rentenversicherungsbeiträge liegt … nicht darin, den Begünstigten einen relevanten Rentenanspruch aufzubauen, sondern ihnen einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente oder die Riester-Förderung zu eröffnen und zudem eine Unterbrechung rentenrechtlicher Zeiten zu verhindern.


Auf Deutsch heißt das: Die Rentenbeiträge für Langzeiterwerbslose sind gar nicht für ihre Alterssicherung gedacht. Das ist doch zynisch.


(Beifall bei der LINKEN)


Herbert Rische, der Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund, sagte zu dem Thema im Deutschlandradio Kultur, wir sollten uns - ich zitiere - darüber „Gedanken machen, ob man auch hier - so wie beim Arbeitslosengeld I - einen Bezugspunkt hinsichtlich des vorherigen Einkommens nimmt …, zum Beispiel etwas weniger als 80 Prozent, „aber doch ein bisschen mehr als heute.“

Sie sehen: Wir Linken stehen mit unseren Forderungen nach besseren Rentenanwartschaften von Erwerbslosen nicht allein. Darum fordere ich Sie auf: Folgen Sie mit uns den Appellen, Forderungen und Vorschlägen des DGB, der IG Metall, des Sozialverbandes Deutschland, der Volkssolidarität, des Sozialverbandes VdK und des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes: Bekämpfen Sie Altersarmut, bevor sie entsteht!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Alles von Rot-Grün gemacht!)

Die Rede im Web-TV:

http://webtv.bundestag.de/iptv/player/macros/_v_f_514_de/od_player.html?singleton=true&content=476640

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