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Altersarmut von morgen ist die direkte Folge der falschen Rentenpolitik von heute

Archiv Linksfraktion - Rede von Matthias W. Birkwald,

Zu Protokoll gegebene Rede von Matthias W. Birkwald (DIE LINKE)

zur 1. Lesung des Antrages der Fraktion DIE LINKE „Zur Stabilisierung des Rentenniveaus: Riester-Faktor streichen - Keine nachholenden Rentendämpfungen vornehmen“ (BT-Drs. 17/1145 vom 23.03.2010)

am 25.03.2010 im Plenum des Deutschen Bundestages

 

Sehr geehrter Herr/Frau Präsident/in, meine sehr geehrten Damen und Herren,


die Rentenreform von Walter Riester wird als Jahrhundert-Reform in die Geschichtsbücher eingehen. Doch nicht als Erfolgsgeschichte.
Wir werden leider nichts lesen können vom Wohlstand der Vielen.
Aber wir werden lesen müssen, dass die rot-grüne Bundesregierung Armut im Alter zum Programm erhoben hat. Zum Schulwissen wird ebenfalls gehören, dass auch die nachfolgenden Bundesregierungen - ob schwarz-rot oder schwarz-gelb - wider besseren Wissens und offenbar ohne schlechtes Gewissen den Lebensabend der Meisten den Kräften des Marktes, den Banken und Versicherungen, ausgeliefert haben. Kommende Generationen werden uns fragen: „Warum habt Ihr das alles nicht verhindert?“


Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Altersarmut von morgen ist die direkte Folge der falschen Rentenpolitik von heute. Wir haben zwei Möglichkeiten:


Entweder wir verteilen morgen Trostpflaster an arme Rentnerinnen und Rentner, oder wir handeln heute und beugen der Altersarmut vor. DIE LINKE ist für den zweiten Weg! Wir wollen schwerwiegende Fehler in der Rentenpolitik von rot-grün bis heute beseitigen.
Mit den Riester-Reformen wurde das Niveau der gesetzlichen Rente bewusst massiv gesenkt. Das war ein gravierender Einschnitt. Das Ziel, den im Berufsleben erreichten Lebensstandard auch im Ruhestand halten zu können, wurde aufgegeben. Als Ausweg gebar Rot-Grün Zwillinge: Staatliche Fürsorge und private Vorsorge, also die „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ und die so genannte „Riester-Rente“. Die „Grundsicherung“ sollte die gesetzliche Rentenversicherung von unten stützen. Auf Sozialhilfeniveau, denn es war klar, dass die gesetzliche Rente für viele nicht mehr die Existenz würde sichern können. Diese „Grundsicherung“ von im Schnitt 664 Euro im Monat bedeutet für viele Menschen einen sozialen Abstieg. Denn Armut verhindert sie nicht und wer durchschnittlich verdient, muss nun für eine Rente in dieser Höhe bereits heute 28 Jahre Beiträge gezahlt haben. Im Jahre 2030 werden es schon 34 Jahre sein! Und wer nur die Hälfte des Durchschnittseinkommens hat, also heute rund 1300 Euro brutto verdient, muss heute 56 Jahre und in 2030 dann 68 Jahre Beiträge gezahlt haben, um das Grundsicherungsniveau überhaupt zu erreichen. Das ist doch absurdes Theater!


Die Riester-Rente soll die gesetzliche Rente aufstocken. Das funktioniert vor allem für die Versicherungswirtschaft. Was als Ausgleich für den Abbau der gesetzlichen Rente vorgesehen war, hat sich als ein riesiges Subventionsprogramm für die private Versicherungsbranche entpuppt.


Seit 2009 sind so knapp neun Milliarden Euro Steuergelder in die Kassen der Versicherer geflossen. Neun Milliarden, die der solidarischen Rentenversicherung fehlen. Für die Menschen funktioniert Riester nicht. Gerade mal 37 Prozent derjenigen, die einen Anspruch auf Förderung hätten, haben einen Vertrag abgeschlossen. Und von denen haben 60 Prozent nicht einmal die vollen Zulagen erhalten, weil sie die Eigenbeiträge nicht aufbringen konnten oder wollten. Von niedrigen Löhnen lassen sich eben nur schwer Beiträge zahlen. Das zeigt: Die Mehrheit der Beschäftigten wird von „Riester“ nichts haben. Ihnen droht Altersarmut und das ist unverantwortlich!


Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zur Wahrheit gehört auch: Das aktuelle Gerede von einer Nullrunde ist pure Schönfärberei. Zwar werden die Renten nicht direkt gekürzt, aber sie verlieren dennoch an Wert, Stichwort Inflation, oder denken Sie an die Zusatzbeiträge der Krankenkassen und die drohende Kopfpauschale.


Außerdem gilt für die Kürzungen: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Sobald eine Erhöhung der Renten möglich wäre, werden die Kürzungen nachgeholt. Aktuell beträgt der so angehäufte „Ausgleichsbedarf“ im Westen 3,8 Prozent und im Osten 1,8 Prozent. Das heißt: In den nächsten fünf bis sechs Jahren gibt’s für die Rentner und Rentnerinnen keinen Cent mehr. Die Schutzklausel von heute frisst also die Rentenerhöhung von morgen. Die Rentnerinnen und Rentner werden mit der Nullrunde keineswegs verschont, sie werden dreist verschaukelt! Das darf nicht so bleiben.


Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir LINKEN fordern eine radikale Abkehr von dem Irrweg der Riester-Privatisierung, denn die Rentnerinnen und Rentner von heute und die von morgen sind sich einig: Sie wünschen sich nach einem langen Arbeitsleben einen Ruhestand ohne Armut und ohne große finanzielle Sorgen. Mit der drastischen Kürzung der Rente für alle und Riester nur für einen Teil wird das nichts. Die solidarische gesetzliche Rentenversicherung hat gerade in der Finanzkrise gezeigt, wie stabil sie ist.


Darum fordere ich Sie auf: Stärken Sie die Rentenversicherung, streichen Sie den Riester-Faktor, löschen Sie das Minuskonto in der Rentenanpassung und mit ihm die Dämpfungsfaktoren!