Rede zur Bahnpolitik der Bundesregierung am 13.11.2008
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn hat für den Fall des Börsenganges 1,4 Millionen Euro allein für Bahnchef Mehdorn beschlossen. Das ist der letzte dicke Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Mehdorn übrigens nannte diese Boni nur „Möhrchen“; ich erinnere an die Peanuts von Herrn Kopper.
(Volker Kauder (CDU/CSU): Was sind Sie denn so grantig?)
Minister Tiefensee hat diese Boni verschwiegen, weil er den Börsengang nicht gefährden wollte.
Ich kann Ihnen sagen: Die Menschen haben die Nase voll von raffgierigen Managern, denen der ursprüngliche Zweck öffentlicher Güter gleichgültig ist und die Worte wie Gemeinsinn, Solidarität und Daseinsfürsorge aus ihrem Wortschatz ausgemerzt haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Menschen haben die Nase voll von Politikern, die jahrelang mitgemacht haben, wenn es darum ging, das Volkseigentum Deutsche Bahn zu verschleudern. Ich habe nicht die Zeit, alle Politiker von CDU, CSU und SPD aufzuzählen, die die Privatisierung der Bahn vorangetrieben haben, um danach in den gut bezahlten Dienst der Deutschen Bahn zu wechseln, und zwar nicht als Schaffner.
Der wichtigste Grund für die Entlassungen, die wir fordern, ist aber die gescheiterte Bahnpolitik, die Minister Tiefensee und Bahnchef Mehdorn über Jahre ohne Rücksicht auf Verluste betrieben haben. Es ist doch absurd, dass Herr Tiefensee erklärt, dass der Börsengang nur aufgeschoben und nicht aufgehoben sei. Er hat immer noch nicht verstanden, dass wir uns in der schwersten Finanzkrise aller Zeiten befinden.
(Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Ja, reden Sie es noch herbei!)
Die Banken sind nicht mehr bereit, Geld zu verleihen. In den USA, in Großbritannien und Frankreich werden Banken verstaatlicht, damit ihr Zusammenbruch verhindert wird. Opel und Ford schreiben Briefe an die Kanzlerin und fordern Milliarden aus der Staatskasse für die Autoindustrie.
In dieser Situation meinen der Verkehrsminister und der Bahnchef, auf den leergefegten internationalen Finanzmärkten privates Geld für die Bahn zu bekommen. Dieses absurde Ansinnen zeigt doch, dass die beiden Privatisierer überhaupt noch nicht verstanden haben, welch ökonomischer Tsunami gerade über uns hereinbricht.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch wenn der Börsengang der Bahn nun verschoben ist Herr Steinbrück hat uns gestern im Ausschuss informiert, dass er den Börsengang schon im September verschoben haben will : Die Bahn wurde von Mehdorn und Tiefensee auf Rendite getrimmt.
(Enak Ferlemann (CDU/CSU): Sehr gut!)
Die Bürgerinnen und Bürger mussten das schmerzhaft erfahren.
(Enak Ferlemann (CDU/CSU): Stimmt nicht!)
Der zurückgetretene Aufsichtsrat der Deutschen Bahn, Voscherau, kritisiert die Bundesregierung zu Recht. Der Bund hat in den vergangenen Jahren akzeptiert, dass die Bahn sich zu einem internationalen Logistikdienstleister mit angehängtem Personenverkehr entwickelt hat. Genau das ist das Problem.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Bahnkunden werden von der Bundesregierung und vom Bahnvorstand nur noch als lästiges Anhängsel betrachtet. Dafür nur drei Beispiele:
Erstens. Seit Herr Mehdorn Bahnchef ist, sind die Fahrkartenpreise um 22 Prozent in die Höhe geschossen. Er presst die Bahnkunden aus, um seine Renditeziele und damit seine maximale Leistungszulage von 3 Millionen Euro zu sichern, die zu seinem Festgehalt hinzukommt.
Zweitens. Seit Herr Mehdorn Bahnchef ist, wird an der Sicherheit gespart. Es treten immer wieder schwerwiegende Sicherheitsmängel auf. Ich erinnere nur an den ICE Wolfsburg, der mit 250 Reisenden an Bord am 9. Juli nur aufgrund eines glücklichen Zufalls nicht verunglückte.
(Uwe Beckmeyer (SPD): Das ist aber ganz übel, was Sie hier machen! Enak Ferlemann (CDU/CSU): Das ist das Allerletzte!)
Drittens. Seit Herr Mehdorn Bahnchef ist, werden Minderjährige, die einen falschen Fahrschein gelöst haben, aus dem Zug geworfen. Wenn jetzt die Verantwortung auf die Schaffner abgewälzt wird, dann entspricht das der Politik der Bahn und der Bundesregierung, nie selbst Verantwortung zu übernehmen und immer jemanden im Visier zu haben, auf den man die Schuld abwälzen kann.
(Beifall bei der LINKEN - Uwe Beckmeyer (SPD): Das ist ein Niveau! Das ist unangemessen für dieses Haus! Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Muss Herr Mehdorn jetzt in jedem Zug mitfahren oder was?)
Wir Linke fordern eine endgültige Absage des Börsengangs der Bahn, mehr Investitionen in die Bahninfrastruktur, insbesondere in die Bahnsicherheit, und den Verzicht auf die zum Ende dieses Jahres geplante Fahrpreiserhöhung.
(Enak Ferlemann (CDU/CSU): Das geht ja schon nicht auf!)
Die Bürger wollen keine Börsenbahn, sondern sie wollen eine Bürgerbahn.
(Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU): Fünf Minuten können echt hart sein!)
Die Bürgerinnen und Bürger wollen die Bahn sicher und zu vernünftigen Preisen nutzen können. Alle Privatisierung ist ein Wahn, der hier beendet gehört.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der SPD: Nur abgeschrieben!)