Zum Hauptinhalt springen

Agenda 2010 abwickeln

Archiv Linksfraktion - Rede von Gesine Lötzsch,

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage mich seit Beginn dieser Debatte, ob unsere Zuschauer auf den Zuschauerrängen überhaupt verstehen, worüber hier diskutiert wird.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Daher noch einmal: Das Thema ist die Finanzplanung des Bundes 2009 bis 2013. Der Kollege Staatssekretär Kampeter hat alles Mögliche getan, um das, worüber wir eigentlich reden sollten, herumzureden.
(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Doch!)
Er hat zwar über den Haushalt, aber nicht über die Finanzplanung gesprochen.
Nun ist es so, dass dies wirklich eine ziemlich absurde Debatte ist; denn im Herbst haben, wie wir alle wissen, Wahlen stattgefunden. Seit den Wahlen gibt es eine neue Koalition. Diese neue Koalition hat erklärt, dass sie alles anders machen wolle. Sie hat aber versäumt, einen neuen Finanzplan vorzulegen. Nun haben wir sowohl vom Kollegen Kampeter als auch vom Kollegen Fricke von der FDP noch einmal die Ausreden und fadenscheinigen Argumente gehört. Sie erklären, dass sie erst einmal die Steuerschätzungen abwarten wollen. Ich halte das für Arbeitsverweigerung und für unehrliche Politik.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir alle wissen doch, dass Sie gebannt auf einen Termin starren, nämlich auf einen Termin im Mai. Dann findet die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen statt.
(Otto Fricke [FDP]: Wann kommt die Steuerschätzung: vor der Wahl oder nach der Wahl?)
Nordrhein-Westfalen ist das bevölkerungsreichste Bundesland. Nicht zu Unrecht können, glaube ich, alle davon ausgehen, dass die schwarz-gelbe Koalition dort abgewählt wird, da sie mit Sponsoringaffären das Vertrauen in die Politik in hohem Maße beschädigt hat.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich finde, Sie sollten wenigstens so ehrlich sein und zugeben, dass Sie sich nicht trauen, der Bevölkerung in diesem Land vor dem Wahltermin die Wahrheit über die Richtung Ihrer Politik zu sagen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Wählerinnen und Wähler in Nordrhein-Westfalen haben es in der Hand, zu entscheiden, ob die schwarz-gelbe Koalition abgemahnt wird. Ich finde, eine Abmahnung ist überfällig.
(Beifall bei der LINKEN - Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Abmahnung reicht da nicht!)
- Darin stimme ich Ihnen zu, Kollege Kuhn. Eine Abmahnung reicht nicht. Die Abmahnung muss die Abwahl sein.
(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)
Darin sollten wir uns einig sein.
Wenn diese Koalition in Nordrhein-Westfalen nicht abgewählt wird, macht die Bundesregierung weiter wie bisher: Klientelpolitik, Steuersenkungen für Großunternehmen, Großspender und Sponsoren bedienen sowie reihenweise Parteifreunde in den Ministerien unterbringen. So erleben wir es seit langer Zeit. Wir haben festgestellt, dass insbesondere die FDP dabei besonders aktiv ist. Wir brauchen uns nur anschauen, wen alles der Kollege Niebel in seinem Ministerium, das die FDP eigentlich abwickeln wollte, untergebracht hat.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fricke?
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Ja, sehr gerne.
Otto Fricke (FDP):
Frau Kollegin Lötzsch, würden Sie mir bestätigen, dass die Steuerschätzung im Mai vor der Landtagswahl kommt?
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Lieber Kollege Fricke, erstens weiß ich, wann die Steuerschätzung kommt. Zweitens können wir gerne wetten, dass Sie den Finanzplan vor der Wahl nicht vorlegen werden und sich weiter verstecken.
(Otto Fricke [FDP]: Danke! Also vor der Wahl!)
Sie haben über die Schuldenbremse gesprochen.
(Abg. Otto Fricke [FDP] nimmt wieder Platz)
- Bleiben Sie ruhig stehen, Herr Fricke. Dann kann ich Ihnen das erklären.
(Lachen bei der FDP - Johannes Kahrs [SPD]: Hoch!)
Da Sie sitzen bleiben, kann ich nur sagen: Das ist feige. Aber das sind wir von der FDP gewohnt. Ich habe aber noch Redezeit und kann Ihnen das erklären.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie sagen, Sie könnten keine Finanzplanung machen, weil Sie die Ergebnisse der Steuerschätzung noch nicht hätten. Aber im gleichen Atemzug sagen Sie, dass die Vorgaben der Schuldenbremse gelten müssen. Diese sieht vor, dass pro Jahr 10 Milliarden Euro im Haushalt nicht gespart, wie es immer irreführend heißt, sondern gestrichen werden sollen. Sie können 10 Milliarden Euro aber nicht streichen, indem Sie auf Bleistiftanspitzer oder Ärmelschoner in den Bundesministerien verzichten.
Ich komme zum Schluss. Herr Kollege Kampeter, es ist keine vernünftige Politik, in allen Ressorts zu sparen, ohne eine Schwerpunktsetzung zu formulieren. Wir wollen, dass im Verteidigungsbereich gespart wird, und zwar deutlich. Wir wollen keine unsinnigen Rüstungsprojekte. Wir werden uns mit aller Kraft dagegen wenden, dass Sie Ihren Plan, auf dem Rücken der Ärmsten in diesem Land zu sparen, umsetzen können. Wir brauchen endlich eine vernünftige Politik, eine andere Wirtschafts- und Steuerpolitik. Wir müssen die Verursacher der Finanzkrise zur Verantwortung ziehen
(Beifall bei der LINKEN)
und endlich Schluss mit dem Niedriglohnsektor, Hartz IV und lächerlich niedrigen Steuersätzen für Konzerne machen. Außerdem müssen wir, um dieses Land voranzubringen, endlich die Agenda 2010 abwickeln. Dann ist wieder eine solide Finanzpolitik möglich.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)