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Foto: Rico Prauss

Abgeordnete sind keine Komparsen der Regierung

Archiv Linksfraktion - Rede von Dietmar Bartsch,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst eine Bemerkung in Richtung Union machen. Ich finde vieles von dem, was Sie heute vorgelegt haben, ja sehr vernünftig. Aber es ist offensichtlich so, dass man nur in der Opposition so unendlich schnell lernen kann. Denn – ich erinnere mich noch sehr gut – in der letzten Legislaturperiode gab es ähnliche Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, wo Sie das gemeinsam mit der SPD verteidigt haben.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Da hat er recht!)

Ich finde, diese Schlussfolgerungen sind richtig, aber es ist eben wirklich auch etwas arrogant, zu sagen: Jetzt ist das so schlimm. – Nein, es ist seit vielen Jahren höchst problematisch, und es wird Zeit, dass wir es verändern.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der AfD)

Im Übrigen, um auch das klar zu sagen: Zwischenrufe sind teilweise sehr unqualifiziert. Trotzdem geht der Satz „Halten Sie den Mund!“ nicht. Jeder kann hier erzählen, was er will.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ich habe gefragt, ob Sie nicht einmal den Mund halten können!)

Wir sind im deutschen Parlament, lieber Herr Merz.

Trotzdem muss man eines sagen: Was wir in der letzten Woche gesehen haben, war unserer Demokratie unwürdig, meine Damen und Herren. Die Nonchalance, mit der hier auch von Regierungsmitgliedern vorgegangen worden ist, geht nicht. Wir brauchen viel, viel mehr Nachdenklichkeit, auch als Ergebnis des jetzigen Verfahrens.

Auch wenn hier eben gesagt wurde: „Es ist ja völlig richtig, dass wir als Ampel Verbesserungen wollten“, ist die Realität eben eine andere. Drei von vier Gesetzen werden mit Fristverkürzung beraten. Das kann doch nicht mehr normal sein. Für uns als kleinere Fraktion ist es dann ziemlich unmöglich, all das wirklich zu durchdringen. Da müssen Sie in der Ampel endlich Veränderungen durchsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Richtig ist auch, dass wir über die Geschäftsordnung reden; da sind wir in jeder Hinsicht offen. Denn es bleibt doch dabei: Wir Abgeordneten sind keine Komparsen. Die Bundesregierung hält sich nicht die Abgeordneten. Es wäre übrigens ganz gut, wenn wenigstens ein Minister bei dieser Debatte dabei wäre.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wenigstens einer!)

Dass niemand dabei ist, das ist auch eine Missachtung des Parlaments, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN und der CDU/CSU)

Ich appelliere ganz klar insbesondere an die Abgeordneten der Ampel: Bitte Selbstbewusstsein gegenüber der Regierung entwickeln! Das muss deutlicher werden. Wir sind das Parlament, wir entscheiden – und nicht die Bundesregierung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will ganz klar sagen: Diese ganzen Verfahren haben doch zu einem geführt: dass es unendlich viel Angst in der Bevölkerung gibt, dass Vertrauen zerstört ist, dass es eine Verunsicherung gibt. Das können wir doch alle nicht leugnen. Das trifft dann nicht nur die Regierung; das trifft uns alle. Und da müssen wir doch mindestens – mindestens! – nachdenklich werden.

Der Wirtschaftsminister sagt jetzt: Na ja, es ist doch „kein Beinbruch“. – Donnerwetter! Ich habe zwei Tage vorher noch gehört: Es wird durchgesetzt, es muss durchgesetzt werden. – Das sagte der Bundeskanzler, das sagte der Generalsekretär der SPD. Und jetzt ist es kein Beinbruch, und wir können es auch im September beschließen? Meine Damen und Herren, so geht das nicht.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nee, so geht es wirklich nicht!)

Wenigstens nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts müssen Sie Schlussfolgerungen ziehen, auch für Ihre Kommunikation. Das ist das Mindeste.

Eine Bemerkung noch zum Gebäudeenergiegesetz als solchem. Ehrlich gesagt: Zu dem, was Sie da mit dem ersten Entwurf zelebriert haben, der in einer großen Zeitung zu lesen und völlig inakzeptabel war

(Konstantin Kuhle [FDP]: Das nennt sich „Pressefreiheit“! Mehr sage ich dazu nicht!)

– Sie haben viel verändert; Streit ohne Ende –, muss man sagen: Dilettantismus in der ersten Runde. Ich meine, auf die Idee, dass die kommunale Wärmeplanung irgendetwas damit zu tun haben könnte, hätte man kommen können. Dann aber wird die Brechstange angesetzt, und das ist doch das Problem. Wir wissen vieles bis heute nicht. Eben höre ich: Die Folgen für die Mieterinnen und Mieter wird es nicht geben. – Donnerwetter! Ich wusste das gar nicht. Es ist ja schön, das hier mal zu hören.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Dann mal lesen, was wir Tolles machen!)

Aber wenn Sie jetzt sagen: „So wie das Gesetz ist, wird es verabschiedet“, ist das, ehrlich gesagt, erneut eine Missachtung des Bundesverfassungsgerichts.

(Beifall bei der LINKEN und der CDU/CSU)

Es kann doch sein, dass aus der Opposition, sogar von uns oder von der Union, Vorschläge kommen, die sinnvoll sind.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Nein, damit ist nicht zu rechnen!)

Sie haben doch selbst viel Kompetenz. Matthias Miersch hat vielleicht eine Idee, wie es besser wird, und das ist doch nicht schlecht.

(Zuruf des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

„Friss oder stirb!“ ist das falsche Herangehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch dazu, was der soziale Ausgleich sein soll, weiß ich bis heute nichts. Das müssen wir mindestens wissen. Darüber muss gestritten werden. Ordentliche Verfahren im Ausschuss und ordentliche Verfahren hier: Diesen Anspruch versuchen Sie wieder zu missachten, und das geht nicht.

Nehmen Sie das Bundesverfassungsgericht ernst, und gehen Sie in Ihrer Nachdenklichkeit darüber hinaus!

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN und der CDU/CSU)