Das Bundesverfassungsgericht verhandelt am 23. und 24. April über die Wahlrechtsreform der Ampel. Die Linke und 195 Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben geklagt. Die Neuregelung ist seit Juni 2023 in Kraft und soll bei der nächsten Bundestagswahl erstmals Anwendung finden. Auch Gregor Gysi hält die Wahlrechtsreform der Ampel für grundgesetzwidrig. "Man darf nie die Mehrheit eines Parlaments nutzen, um das Wahlrecht so zu ändern, damit man die CSU und Die Linke aus dem Bundestag rauswirft", betonte er im November 2023 im Bundestag. Jurist Gysi schreibt:
"Meines Erachtens ist das neu beschlossene Wahlgesetz aus mehreren Gründen grundgesetzwidrig. Zum einen ist entschieden worden, es bei der Fünf-Prozent-Sperrklausel zu belassen, aber die Regel abzuschaffen, wonach eine Partei auch dann in den Bundestag einzieht, wenn sie weniger als 5 Prozent der Zweitstimmen erreicht, aber mindest drei Direktmandate vorweisen kann. Die Mehrheit hat nicht begriffen, dass es sich bei beiden Regelungen um kommunizierende Tunnel handelt. Wenn Du die Drei-Direktmandats-Regel erhöhst oder gar abschaffst, kannst Du es nicht bei der Sperrklausel belassen. Sie müsste dann niedriger ausfallen.
Darüber hinaus hat die Mehrheit des Bundestages geregelt, dass ein Direktmandat nicht gilt, wenn die Partei keine fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht. Unabhängige Kandidaten, die nicht von einer Partei aufgestellt werden, ziehen, wenn sie die relative oder absolute Mehrheit der Stimmen erreichen, immer ein. Das bedeutete rein theoretisch zum Beispiel für mich: Kandidierte ich in meinem Wahlkreis unabhängig und bekäme erneut die relative Mehrheit der Stimmen, wäre ich auf jeden Fall Mitglied des Bundestages. Träte ich aber direkt auf Beschluss der Linken an und bekäme in meinem Wahlkreis die selben Stimmen und meine Partei erreichte keine 5 Prozent der Zweitstimmen, wäre ich nicht Mitglied des Bundestages. Das beutetet, dass die Wählerinnen und Wähler zwar entschieden, mir die relative Mehrheit zu geben, aber nicht, ob ich Mitglied des Bundestages werde. Das verletzt die Gleichheit der Wahl nach Artikel 38 des Grundgesetzes. Jede Kandidatin, jeder Kandidat, die oder der in ihrem oder seinem Wahlkreis eine relative oder absolute Mehrheit erreicht, muss auch Mitglied des Bundestages werden.
Ein Anliegen der Mehrheit des Bundestages ist allerdings völlig berechtigt: die Verkleinerung des Bundestages. Das muss aber auf einem anderen Wege geschehen. Zum Beispiel könnten Überhang- und Ausgleichsmandate nur noch auf Bundesebene berechnet und Ausgleichsmandate begrenzt werden. Dann würde es von der eigentlichen Zahl von 598 Abgeordneten nur geringfügige Abweichungen geben und wir wären die Zahl von 734 Abgeordneten im Bundestag schon einmal los."