In dieser Woche berät der Bundestag abschließend den Haushalt für 2008. Gesine Lötzsch, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, äußert sich im Interview zum Kurs der Regierungskoalition, der wie in den Jahren zuvor, vorwiegend zu Lasten der Kinder, der Arbeitlosen, der sozialschwachen Familien und Rentnerinnen und Rentner geht.
Die Ausschussberatungen zum Etat 2008 sind abgeschlossen. Was ärgert Sie vor allem am Regierungsentwurf?Mich ärgert, dass die Koalition mit unterschiedlicher Elle misst. Es ist ein 2-Klassen-Haushalt. Der einfache Steuerzahler soll sparen, eine Minderheit wird weiter fürstlich bedient.
DIE LINKE betont immer wieder, dass genügend Geld im Topf des Bundeshaushalts vorhanden sei und kritisiert die Verteilung der Mittel. Warum wird um jeden Preis gespart?
Es wird ja nicht um jeden Preis gespart. Als Abschiedgeschenk für Herrn Stoiber wurden im Haushalt knapp eine Milliarde Euro für einen überflüssigen Transrapid eingestellt. Für das Berliner Schloss sollen 520 Millionen Euro ausgegeben werden. Und so könnte ich noch einige Projekte aufzählen, die mit Sparsamkeit nichts zu tun haben.
Wo würden Sie einsparen?
Wir haben im Rüstungshaushalt Sparvorschläge in einem Volumen von 2,6 Milliarden Euro gemacht. Die können wir ohne Probleme kürzen, ohne dass die nationale Sicherheit gefährdet wird. Wir könnten 8,5 Milliarden Euro sparen, wenn die Bundesregierung einen gesetzlichen Mindestlohn beschließen würde. Dieses Geld muss für sogenannte „Aufstocker“ bereitgestellt werden. Menschen, die von ihren Einkünften nicht leben können, erhalten Lohnzuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Die Lösung kann doch nur sein, dass die Unternehmen Löhne zahlen, von denen die Menschen leben können.
Die Bundesregierung fördert durch die Lohnzuschüsse das Lohndumping der Unternehmen. Das muss endlich aufhören.
Und wofür würden Sie mehr Geld ausgeben?
Wir wollen das Arbeitslosengeld II auf 435 Euro pro Monat anheben. Es ist schon jetzt klar, dass der gegenwärtige Steuersatz nicht mehr zu einem würdigen Leben reicht. Wir brauchen dringend einen Inflationsausgleich in Anbetracht der steigenden Lebensmittel- und Energiepreise.
Sollte der Bund so schnell wie möglich einen ausgeglichenen Haushalt haben?
Wir müssten schon heute keine neuen Schulden mehr machen, wenn die Bundesregierung die zur Kasse bitten würden, die sie bisher immer wieder geschont hat. Wir wollen 25 Milliarden Euro durch die Anhebung des Spitzensteuersatzes, die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen und die Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer mehr einnehmen.
Der Finanzminister beabsichtigt die Senkung der Arbeitslosenversicherung von 4,2 auf 3,3 Prozent zu Beginn des nächsten Jahres - spricht das nicht für die Politik der Koalition?
Das ist ein Wahlkampfmanöver. Im nächsten Jahr stehen einige Landtagswahlen in den alten Ländern bevor, da macht sich eine solche Absenkung natürlich gut. Sollte die Konjunktur schwächer werden, womit viele Ökonomen rechnen, dann wird man nach der Bundestagswahl 2009 die Beiträge wieder anheben müssen. Ein Auf und Ab der Arbeitslosenversicherungsbeiträge nach Wahltagen hat mit seriöser Politik nicht viel zu tun. Übrigens werden die Unternehmen durch diese Absenkung um weitere 3,8 Milliarden Euro entlastet. Die Unternehmenssteuerreform wird sie um weitere 10 Milliarden Euro entlasten.
Wie beurteilen Sie den Nachtragshaushalt 2007 von 2,15 Milliarden Euro zur Finanzierung der Krippenplätze?
In den letzten 40 Jahren wurde die Kinderbetreuung in den alten Ländern sträflich vernachlässigt. Die geplanten Investitionen begrüßen wir, allerdings sind wir der Meinung, dass dieser Beitrag nicht ausreicht. In Anbetracht von 2,6 Millionen Kindern, die in Armut leben, brauchen wir ein ganzes Paket von Maßnahmen. Wir schlagen ein Zukunftsprogramm Jugend und Innovation vor.
Die Diäten der Abgeordneten steigen ab Januar 2008 - die Erhöhung des Kindergeldes ist erneut mit der Begründung der aktuellen Haushaltslage auf 2010 verschoben - verstehen Sie den Frust der Bürgerinnen und Bürger? Müsste Deutschland nicht ein Zeichen setzen und endlich die Konsequenzen aus PISA und Kinderarmut ziehen?
Die Diätenerhöhung ist nur ein weiteres Beispiel dafür, dass die Koalition mit unterschiedlichem Maß an die Verteilung der Steuermittel geht. Erst kommen die eigenen Interessen und die Interessen der Lobbyisten und dann wird der Rest aufgefordert, sein „Anspruchsdenken“ zu verändern. Das ist verlogen.
Ich habe gegen die Diätenerhöhung gestimmt und werde die Erhöhung nutzen, um Projekte in meinem Wahlkreis zu unterstützen, so wie ich es auch schon bisher getan habe.
linksfraktion.de, 27. November 2007