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Zwei Personen am 11.09.24 vor der eingestürzten Coralabrücke mit der Dresdner Altstadt im Hintergrund © picture alliance/epd-bild|Matthias SchumannFoto: picture alliance/epd-bild|Matthias Schumann

Vor dem Badengehen

Im Wortlaut von Gesine Lötzsch, junge Welt,

Brückeneinsturz von Dresden. Gastkommentar von Gesine Lötzsch

 

Manch einer erinnert sich an den makabren Spruch »Ruinen schaffen ohne Waffen«. Städte verfielen, weil Investitionen fehlten. Die Ampel hat die Losung übernommen. Die zivile Infrastruktur zerfällt seit Jahren. Über den Einsturz der Carolabrücke in Dresden muss sich keiner der Verantwortlichen wundern. Es war nicht die Frage, ob eine Brücke, sondern wann eine Brücke zusammenbricht.

Schon 2015 stellte die »Gabriel-Kommission« fest, dass die öffentliche Infrastruktur erodiert. Die Experten forderten 90 Milliarden Euro Investitionen. Schäubles »Schwarze Null« verhinderte die Umsetzung der Vorschläge. Verdi kritisierte 2016: Insgesamt 3,8 Millionen Quadratmeter Brückenfläche sind sanierungsbedürftig. Durch das jahrelange Wegschauen sind viele der Brücken gar nicht mehr sanierungsfähig.

Nach einem »Brückengipfel« 2022 wollte der Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) richtig loslegen. Doch der Bundesrechnungshof hat Anfang dieses Jahres festgestellt, dass das Konzept von Herrn Wissing nicht aufgeht. Es fehlt an Geld und Personal. 2023 sollten 271.200 Quadratmeter Brückenfläche saniert werden. Geschafft wurden nur 160.776. Es ist schon jetzt klar, dass die Schere zwischen Wunsch und Wirklichkeit in den nächsten Jahren weiter auseinandergeht. Hinzu kommt, dass die Autobahn GmbH Brücken saniert, die gar nicht die höchste Dringlichkeitsstufe haben. Im vergangenen Jahr waren das 62 Prozent der sanierten Brücken. Das ist billiger und geht schneller. Ich nenne es Selbstbetrug. Die Bundesregierung kann stolz sagen, dass sie der nächsten Generation weniger Schulden vererben wird. Die Schuldenbremse macht es möglich. Allerdings muss die nächste Generation über die Elbe schwimmen, da für neue Brücken kein Geld da sein wird.

Auch wenn die »Schwarze Null« nicht mehr die oberste Priorität der Bundesregierung ist, fehlt das Geld für die zivile Infrastruktur. Das braucht die Bundesregierung für die Aufrüstung der Bundeswehr. Allein dafür sind im nächsten Jahr nach NATO-Kriterien 89,43 Milliarden Euro vorgesehen. Wenn das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen der Bundeswehr 2027 auslaufen wird, sollen ab 2028 für das Militär 28,1 Milliarden Euro zusätzlich aus dem regulären Haushalt finanziert werden, um das Zwei-Prozent-Ziel der NATO zu erfüllen. Zum Vergleich: Im nächsten Jahr sind für die Investition in die Bundesfernstraßen und die Bundesschienenwege insgesamt 31,9 Milliarden Euro vorgesehen. Da würde für Brückensanierungen nicht viel übrigbleiben.

Die Diskussion um die Schuldenbremse verdeckt ein wichtigeres Problem: Ein großer Teil der Gesellschaft wird immer ärmer. Gleichzeitig wächst die Zahl der Superreichen in Deutschland deutlich. 3.300 Superreiche haben ein Finanzvermögen von über 100 Millionen Dollar. Eine Vermögenssteuer für Milliardäre und Millionäre ist überfällig, damit die nächste Generation nicht baden gehen.

 

junge Welt,