Die Bundestagsfraktion DIE LINKE lehnt das Konzept der sogenannten Bürgerarbeit ab. Ein Gespräch mit Sabine Zimmermann in junge Welt.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will mit sogenannter Bürgerarbeit schwer vermittelbare Erwerbslose in Arbeit bringen und denkt dabei an »gemeinnützige« Tätigkeiten wie das Säubern von Straßen und Parks. Warum nennen Sie das Modell eine »Mogelpackung«?Das Bürgerarbeitsprogramm der Bundesregierung hört sich gut an. Dahinter steht jedoch die Ansicht: »Keine staatliche Leistung ohne Gegenleistung «. Diese hat ihre Wurzeln im amerikanischen Konzept des »Workfare«. In einzelnen US-Bundestaaten gab es Sozialleistungen nur unter der Bedingung der Arbeitsaufnahme. Was an diesem Arbeitszwang bürgerfreundlich sein soll, kann ich nicht erkennen.
Von der Leyens Ansatz »Bürgerarbeit statt Hartz IV« klingt ja eigentlich vielversprechend. Wieso aber führt dieser Spruch aus Ihrer Sicht in die Irre?
Von der Leyen versucht hier, einen Gegensatz zu konstruieren, den es gar nicht gibt. Denn die Bürgerarbeit ist letzten Endes nichts anderes als Zwangsarbeit zu Niedriglöhnen. Die Erwerbslosen sind gezwungen, jede Bürgerarbeit anzunehmen, ansonsten drohen Sanktionen. Das demütigende Hartz-System wird vielleicht sprachlich schöner verpackt, aber nicht abgeschafft. Wir als Partei Die Linke fordern gute öffentlich geförderte Beschäftigung. Zentral ist für uns dabei, daß die Arbeitsaufnahme freiwillig geschieht, daß keine regulären Arbeitsplätze verdrängt werden und sich die Entgelte am Tarif orientieren mit der Untergrenze eines gesetzlichen Mindestlohns.
Für »Bürgerarbeit« soll es 900 Euro brutto bei 30 Stunden Wochenarbeitszeit geben. Was bliebe da am Monatsende übrig?
Das hängt von der Familiensituation ab. Klar ist aber auf jeden Fall, daß es ein Armutslohn ist. Nach dem Mindestlohnrechner des DGB liegt der Stundenlohn dabei bei unter sieben Euro. Die Bundesregierung hat es uns gegenüber amtlich gemacht: Ein Single verdient mit der Bürgerarbeit so wenig, daß er weiterhin auf Hartz IV-Leistungen angewiesen ist.
Von der Leyen will glauben machen, »Bürgerarbeit« sei ein Sprungbrett in den ersten Arbeitsmarkt, und verweist auf Erfolge in Sachsen-Anhalt, wo das Konzept seit vier Jahren erprobt wird. Wie waren dort die Erfahrungen?
Von den Befürwortern werden die Pilotprojekte in den Himmel gelobt, vor allem in der Kleinstadt Bad Schmiedeberg. Dabei sind auch dort nicht mehr Erwerbslose in reguläre Jobs gekommen als in vergleichbaren Regionen. Aus einer Studie für das Bundeswirtschaftsministerium geht allerdings hervor: Der Druck auf die Erwerbslosen wurde deutlich erhöht, mehr als ein Fünftel der Betroffenen meldete sich aus dem Leistungsbezug ab. Sie erhalten kein Geld mehr, und die Arbeitsmarktstatistik sieht besser aus.
So gesehen, könnte sich das Modell immerhin für den Staat rechnen. Ist das vielleicht der Grund, warum es so hoch im Kurs steht?
Das ist vielleicht ein Grund. Ich sehe die Gefahr, daß mit solchen Maßnahmen das Lohnniveau nach unten gedrückt wird und reguläre Arbeitsplätze vernichtet werden. Wir kennen das ja schon von den Ein-Euro-Jobs.
Ihre Kritik an der »Bürgerarbeit « klingt ziemlich vernichtend. Wie kommt es dann, daß das Modell in Teilen der Linken durchaus begrüßt und beispielsweise von der Linksfraktion im Thüringer Landtag als »wirkliche Alternative zu Ein- Euro-Jobs« gelobt wird?
Ich glaube nicht, daß dies die mehrheitliche Auffassung in der Partei ist. Wir Linke wären falsch beraten, uns irgendwie positiv auf die Bürgerarbeit zu beziehen. Wir haben unsere eigenen Vorstellungen von guter, öffentlich geförderter Beschäftigung und sollten Frau von der Leyen nicht auf den Leim gehen.
Für Bürgerarbeit sollen angeblich nur »marktferne« Tätigkeiten in Frage kommen, die keine regulären Jobs verdrängen. Erfüllen die Beispiele von der Leyens dieses Kriterium?
Bei den Ein-Euro-Jobs wurde das ja auch schon behauptet, die Realität sieht anders aus. Würde es die Arbeitsministerin ernst meinen, müßte sie vor Ort Beiräte einrichten, in denen unter anderem Gewerkschaften und Erwerbsloseninitiativen sitzen, die entscheiden, ob die neuen Arbeitsplätze tatsächlich zusätzlich sind. Das ist aber nicht vorgesehen.
Interview: Ralf Wurzbacher
junge Welt, 3. Juni 2010