Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch
Von Kathrin Vogler und Jan van Aken
Es gibt viele Mittel, um dem Terror zu begegnen – der jetzt beschlossene Syrien-Einsatz ist keines davon. Der Krieg gegen den Terror, den die USA und ihre Verbündeten 2001 nach den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon erklärten, ist längst gescheitert. 14 Jahre Krieg in Afghanistan sollten Beweis genug dafür sein, dass mit den Mitteln des Krieges weder Frieden geschaffen noch Terror bekämpft werden kann. Der Krieg gegen den Terror selbst ist ein Verbrechen, weil er viele zivile Opfer fordert, viele neue Terroristen hervorbringt und immer mehr Menschen zur Flucht zwingt.
Ausstieg aus der Gewaltspirale
Die trotzige Behauptung, es gäbe keine Alternative zum Krieg gegen den Terror und ihn nicht zu führen hieße, nichts zu tun, ist falsch. Sie blendet die Verantwortung des Westens an der Entstehung des Terrors und die vielen zivilen Möglichkeiten zur Konfliktbewältigung einfach aus. Nur ein Ausstieg aus der Gewaltspirale und eine grundlegend andere Politik kann ISIS und anderen radikalislamistischen Gruppen den Nährboden entziehen. Deren Selbstdarstellung als gottesfürchtige Kämpfer gegen die "Gottlosen" lebt auch von den zivilen Opfern der Militäreinsätze des Westens, die die Erzählung eines angeblichen "Kreuzzuges des Westens gegen die Muslime der Welt" immer wieder aufs Neue zu bestätigen scheinen. Wo der Westen Kriege geführt hat, sind die Gesellschaften zerrütteter und gewalttätiger als zuvor. Und genau in diesem Umfeld haben Gruppen wie ISIS und Al Qaida Überlebenschancen – siehe Irak, siehe Libyen. Nicht zuletzt deswegen müssen zuerst wir das Töten einstellen und jegliche Unterstützung dafür beenden.
Viel wäre schon erreicht, wenn wir die Beteiligung an Militäreinsätzen beenden und endlich aufhören würden, Waffen in alle Welt zu exportieren. Weder deutsche, noch US-amerikanische oder russische Waffenlieferungen sollten die Kriege und Konflikte im Nahen Osten am Laufen halten und anheizen. Wenn keine Waffen mehr in die Region gelangen, haben Verhandlungen bessere Chancen auf Erfolg.
Ressourcenraub beenden
Ungleich schwerer – dafür aber umso dringender – ist es, ISIS den Nachschub an Kämpfern abzuschneiden und ihm seine internationale Anhängerschaft zu nehmen. Ein wichtiger Schritt dafür wäre, dass die Türkei endlich die Grenzen nach Syrien für Kämpfer schließt, der ISIS-Handel von Öl, Gas und Kunstschätzen bis hin zu Menschen unterbunden wird und Saudi Arabien die finanzielle und ideologische Unterstützung radikal-islamistischer Gruppierungen einstellt.
Dies allein reicht aber nicht. Wir müssen die Ursachen von Gewalt und Radikalisierung angehen. Und die liegen nicht zuletzt in der Ausbeutung großer Teile der Welt durch den Westen – von der Kolonialzeit bis heute dauern Ausbeutung und Ungleichverteilung an, für deren Aufrechterhaltung auch deutsche Regierungen Diktatoren politisch, wirtschaftlich und mit Waffen bis heute unterstützen. Dass wir nicht weiter "ungestört" auf Kosten anderer Leben können und dürfen, sollten uns die vielen Menschen lehren, die vor Krieg und Armut fliehen müssen. Anstatt sie zu bekämpfen und Obergrenzen oder Kontingente zu verhängen, müssen wir uns bei ihnen entschuldigen und den Weg in eine sichere Zukunft endlich frei machen, indem wir aufhören, ihre Länder mit Krieg zu überziehen und sie ihrer Ressourcen zu berauben.
Und wenn den Tausenden junger Männer und Frauen aus Europa, die sich ISIS bisher angeschlossen haben, nicht weitere Zigtausende folgen sollen, dann müssen wir auch Ihnen Perspektiven bieten, anstatt sie weiter zu diskriminieren und zu benachteiligen. Denn Diskriminierung macht sie anfällig für die Verheißung von Anerkennung und Zugehörigkeit, mit denen ISIS sie in den Kampf lockt. Die Attentäter von Paris kamen aus Frankreich und aus Belgien, die Ursachen für ihre Morde sind auch in Frankreich und Belgien zu finden, genauso wie in Deutschland, von wo mittlerweile wohl mehr als 800 junge Menschen in diesen Krieg gezogen sind.
Nahostpolitik: Es gibt keine militärische Lösung
Friedensverhandlungen und Waffenstillstandsvereinbarungen in Syrien, ein international überwachtes Waffenembargo, die Stärkung gewaltfrei arbeitender Organisationen, humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung und Wiederaufbauhilfen für von Gewaltakteuren freie Regionen und Selbstverwaltungsstrukturen, Unterstützung für eine inklusive Regierung in Irak, eine konfliktsensible Nahostpolitik anstelle militärischer Gewalt im Namen falsch verstandener Solidarität mit Frankreich. Es gibt für die bestehenden Konflikte im Nahen Osten keine schnelle Lösung. Vor allem aber gibt es keine militärische.
linksfraktion.de, 15. Dezember 2015