20-Seiten-Papier nennt Vorschläge unseriös und nicht finanzierbar
SPD-Fraktionschef Peter Struck hat der neuen Linkspartei vorgehalten, ihre Forderungen seien ohne seriöse Gegenfinanzierung aufgestellt. Eine entsprechende Argumentationshilfe ging am Dienstag an die sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten.Nach Berechnungen der SPD würden die wichtigsten politischen Initiativen der neuen Linkspartei 154,7 Milliarden Euro zusätzlich im Jahr verschlingen. Diese Zahl geht aus einer 20-seitigen Aufstellung der Fraktionsspitze hervor, die den sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten zugegangen ist und mit der nun offenbar die »inhaltliche Auseinandersetzung« mit der LINKEN unterfüttert werden soll.
»Die Linkspartei ist eine reine Protest- und Oppositionspartei, die mit populistischen Anträgen Stimmung macht«, fasste SPD-Fraktionschef Peter Struck die Botschaft des Papiers zusammen, das die Überschrift »Die Linkspartei und das Geld« trägt. Mit einer solchen Partei sei »eine seriöse und glaubwürdige Politik nicht zu machen«.
Nach den Berechnungen der SPD hätte sich allein der von der Linkspartei geforderte Verzicht auf die höhere Mehrwertsteuer und die Entlastung für geringe und mittlere Einkommen auf jährliche Ausfälle von 33 Milliarden summiert. Die von der LINKEN geforderte Studierendenförderung würde demnach 14 Milliarden Euro kosten, eine Kindergelderhöhung auf 250 Euro für alle Kinder würde mit jährlich 19 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Insgesamt kommt die SPD auf knapp 155 Milliarden Euro jährlich, wobei einmalige Kosten für die Übereignung der Strom- und Gasnetze in öffentliche Hand in Höhe von etwa 150 Milliarden noch nicht eingerechnet sind.
Die SPD hält den Sozialisten vor allem vor, keine seriösen Vorschläge zur Gegenfinanzierung parat zu haben. Modelle, die entsprechende Ausgaben durch einen höheren Spitzensteuersatz, höhere Unternehmenssteuern und angehobene Erbschafts- und Schenkungssteuern ausgleichen, nennt das SPD-Papier »unwirksam«. In der Bildungspolitik kritisieren die Sozialdemokraten zudem, die LINKE suggeriere Handlungsmöglichkeiten, »die etwa aufgrund fehlender Bundeszuständigkeit nicht bestehen«. Zum Teil wird der Linkspartei auch vorgeworfen, sie operiere »mit falschen Zahlen«. So hat deren Fraktion in einem Gesetzentwurf zur Abschaffung der Praxisgebühr mit zusätzlichen Kosten von 1,68 Milliarden Euro kalkuliert - die SPD kommt dagegen auf eine Summe von zwei Milliarden.
Um reine Arithmetik geht es bei dem Streit um Zahlen freilich nicht. Umgekehrt legte die SPD keine Rechnungen vor, warum etwa eine deutliche Anhebung der Besteuerung von Gewinnen und hohen Vermögen »unwirksam« sein soll. Ähnliche Finanzierungsmodelle zu Gunsten einer stärker sozialstaatlich geprägten Politik haben unter anderem auch Gewerkschaften wie ver.di vorgelegt.
Ganz neu sind Vorwürfe, die Vorschläge der LINKEN seien nicht finanzierbar, allerdings nicht. Vor den Bundestagswahlen 2005 hatte die SPD die in dem Steuerkonzept der Linkspartei prognostizierten Mehreinnahmen von 60 Milliarden Euro als »absolut unglaubwürdig« bezeichnet. Dem gesamten Wahlprogramm war damals eine Deckungslücke von 80 Milliarden vorgehalten worden. Nach einer daraufhin vorgelegten Analyse von Finanzexperten der Partei waren die Pläne indes sehr wohl bezahlbar.
Der Vizefraktionschef der Linken im Bundestag, Bodo Ramelow, sagte, es sei doch bemerkenswert, »dass die SPD über Mehreinnahmen eines gerechten Steuersystems« gar nicht mehr nachdenke. Eine Steuer- und Abgabenquote im Bereich des europäischen Durchschnitts von 40 Prozent sei auch für die Bundesrepublik, die derzeit bei 34 Prozent liege, verkraftbar. Doch offenbar fehle der SPD heutzutage »jeglicher politische Wille« für eine soziale Politik.
Der Bundesgeschäftsführer der Partei, Dietmar Bartsch, warnte die Sozialdemokraten vor einer historischen Parallele »Nach der Art, wie Struck jetzt die LINKE verrechnet«, sei der damalige CSU-Finanzminister von Helmut Kohl, Theo Waigel, 1998 mit der SPD verfahren. »Die Wahlen«, so Bartsch, »hat damals bekanntlich die SPD gewonnen.«
Von Tom Strohschneider
Neues Deutschland, 23. August 2007