Gesine Lötzsch über die Haushaltskrise, die eine Regierungskrise geworden ist
Eigentlich sollte der Bundeshaushalt 2024 noch im November im Bundestag beschlossen werden. Die entscheidende Sitzung des Haushaltsausschusses, in der unter anderem der überarbeitete Wirtschaftsplan des Klima- und Transformationsfonds (KTF) vorgelegt werden sollte, hat die Ampelkoalition kurzfristig abgesagt. Aus der Koalition war zu hören, dass sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), nach dem die Verschiebung von Sondermitteln für die Bewältigung der Corona-Krise in den KTF verfassungswidrig war, ausgiebig prüfen wolle. Die Wahrheit ist: die Ampel hat keinen Plan B in der Schublade.
Aus der Haushaltskrise ist eine Regierungskrise geworden. Bundesfinanzminister Lindner hat keinen verfassungskonformen Haushalt vorgelegt und die Konsequenz ist ein Haushaltsloch von 60 Milliarden Euro. Das ist aus meiner Sicht ein hinreichender Grund für einen Rücktritt des Bundesfinanzministers. Doch von eigener Verantwortung spricht Lindner nicht. Er sieht das Urteil als Chance, um im Haushalt seine Prioritäten zu setzen. CDU-Vorsitzender Merz hat schon konkrete Vorschläge: Er will das Bürgergeld kürzen und die Kindergrundsicherung gar nicht erst einführen. Wenn Lindner und Merz Prioritäten fordern, dann meinen sie eigentlich Sozialkürzungen.
Die Regierung hat schon jetzt im Bundeshaushalt klare Prioritäten gesetzt. Bei der Haushaltsaufstellung wurde die Richtung vorgegeben: Alle Ministerien müssen kürzen, mit Ausnahme des Verteidigungsministeriums. Für die Bundeswehr sind nach NATO-Kriterien 85,5 Milliarden Euro vorgesehen. Wenn der Haushalt beschlossen werden sollte, dann ist es das größte jemals im Bundestag beschlossene Rüstungsbudget.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts müssen alle Sondervermögen des Bundes überprüft werden, nur nicht das Sondervermögen für die Bundeswehr. Dieses ist im Grundgesetz verankert. Damit sind Kürzungen in Größenordnungen nur noch im Sozialbereich, bei Bildung und Forschung und im Verkehr denkbar. Die von Lindner verhängte Haushaltssperre trifft auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Im diesem Fonds befinden sich 200 Milliarden Euro, unter anderem zur Finanzierung der Strom- und Gaspreisbremse. Es ist völlig unklar, ob diese Bremse im kommenden Winter noch greifen wird.