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Queer.Sozial.Links: CSD 2023

Archiv Linksfraktion - Nachricht von Kathrin Vogler, Jan Korte, Ates Gürpinar, Martina Renner, Clara Bünger, Petra Pau, Petra Sitte,

Die folgenden Texte sind in unserem neuen Folder zum Christopher-Street-Day 2023 erschienen [Download als PDF]. Wofür wir queerpolitisch kämpfen: Transsexuellengesetz abschaffen, Selbstbestimmungsgesetz, Entschuldigung und Entschädigung für Trans und Inter, queere Menschen im Grundgesetz Art. 3. Abs. 3 schützen, Gleichstellung queerer Familien und Wahlverwandtschaften, Asylrecht und Schutz für verfolgte Queers, Aktionspläne für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt

Keine Gewalt. Gegen Niemand.

Von Kathrin Vogler, Sprecherin für Queerpolitk der Fraktion DIE LINKE, und Jan Korte, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion

Weltweit steigt die Gewalt gegen queere Menschen. Dies geht einher mit dem zunehmenden Einfluss des Rechtspopulismus und anderer autoritärer Ideologien. In diesen Zeiten ist es wichtiger denn je, Menschen, die vor Gewalt, Krieg und autoritärer Unterdrückung fliehen, ohne Wenn und Aber Schutz zu bieten.

Doch es gilt auch vor der eigenen Haustür zu kehren: Nicht nur der Tod des trans Mannes Malte beim letztjährigen Pride in Münster mahnt uns, Gewalt und Vorurteilen die Stirn zu bieten. Trans- und intergeschlechtliche Menschen warten auf das versprochene Selbstbestimmungsgesetz. Es ist überfällig. Doch Baustellen bleiben, bei der Gesundheitsversorgung und beim Abstammungsrecht.Es gilt, ein großes Bündnis zu schmieden, mit allen, die in dieser Gesellschaft Tag für Tag kämpfen müssen: Sei es am Ende des Monats, wenn das Geld nicht reicht, gegen Verdrängung aus dem Kiez oder gegen Diskriminierung. Wir werden nicht nachlassen, für all diese Menschen zu kämpfen. Ob in den Parlamenten, auf den Prides oder in der Kneipe.


Queer. Alt. Und dann?

Von Ates Gürpinar, Sprecher für Krankenhaus- und Pflegepolitik der FraktionEs verwundert nicht, dass queere Menschen in Einrichtungen der Altenhilfe oft unsichtbar bleiben. Ihre Erlebnisse auch in vielen Gesundheits- und Pflegebereichen sind geprägt von bitteren Diskriminierungen. Die Zahlen der Berliner Schwulenberatung dazu sind niederschmetternd. Zum Beispiel haben gerade mal drei Prozent der stationären Einrichtungen Qualitätsstandards zum Umgang mit gleichgeschlechtlichen Lebenswelten. Das heißt, queere Menschen müssen selbst Pionierarbeit leisten - erklären, aufklären. Und das an einem Ort, an dem sie vielleicht einfach nur noch in Ruhe leben möchten. Der Hoffnungsschimmer: Es gibt erste ausgezeichnete Einrichtungen. Aber es wird dauern, bis das Recht auf „Gute Pflege im Alter“ Alltag sein wird. Und es wird dauern, bis  bis alle Lebenswelten und Lebensentwürfe in Pflegeheimen wertungsfrei neben- und miteinander gelebt werden können. Wir müssen uns gemeinsam dafür einsetzen.


Die sogenannten Normalen

Von Martina Renner, Sprecherin für Innenpolitik der FraktionRechte Queerfeindlichkeit zeigt sich in brutaler Gewalt gegen einzelne Queers, bei Anschlägen wie beispielsweise im vergangenen Oktober in  Bratislava, aber auch in Kampagnen gegen queere Einrichtungen. Dabei geht es Immer um die Abschaffung lang und hart erkämpfter Rechte der queeren Community. Berufen wird sich bei solchen Kampagnen  auf die „natürlichen und völkischen“ Instinkte. Alles, was  „anders“ ist, wird von rechter Ideologie als angeblich nicht "normal" festgeschrieben. Trotz aller wissenschaftlicher Erkenntnisse werden Vorstellungen einer ausschließlichen Zweigeschlechtigkeit propagiert, die mit zwingend bestimmten Eigenschaften, Orientierungen und Pflichten verbunden sind. Verbreitet wird das manchmal subtil, viel zu oft per Gewalt. Da ist von allen Hinschauen und Solidarität gefragt. Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle frei von äußeren Zwängen leben können.


Wer ich bin, weiß ich selbst

Von Clara Bünger, Sprecherin für Rechtspolitik der FraktionDas geplante Selbstbestimmungsgesetz ist ein wichtiger Schritt zur Lebensverbesserung trans- und intergeschlechtlicher Menschen und der Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt. Ein neues modernes Gesetz ist überfällig, weil das bestehende Transsexuellengesetz (TSG) völlig veraltet ist und die Lebensrealität von Heute nicht widerspiegelt. Große Teile daraus sind sogar verfassungswidrig, finden deshalb auch keine Anwendung mehr. Es ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Das wurde mehrfach vom Bundesverfassungsgericht festgestellt. Mir gefällt, dass durch das neue Gesetz ein einfaches und einheitliches Verfahren für eine Änderung des Personenstandseintrags ermöglicht werden soll. Diskriminierende Begutachtungen und Fremdbestimmung gehören damit der Vergangenheit an und respektiert die Würde des Einzelnen. Für eine faire Gesundheitsversorgung für tran- und intergeschlechtliche Menschen müssen wir allerdinghs weiter streiten.


Raus aus der Erinnerungsnische

Von Petra Pau, Vizepräsidentin des Deutschen BundestagesAm 27. Januar 2023 erinnerte der Deutsche Bundestag an die Opfer des Faschismus. Di.e Holocoust-Überlebende Rozette Kats mahnte als Gastrednerin, weder Opfergruppen zu kategorisieren, noch sie zu vergessen. Es stimmt, die Shoa - der Völkermord an den Jüdinnen und Juden Europas – sei weitgehend bekannt. Die allgemeine Anerkennung der gleichfalls zu Tode verfolgten Sinti und Roma hätte schon länger gebraucht. Den queeren Opfern dagegen sei bislang kaum gedacht worden. Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag erinnert in einem aktuellen Antrag an „Die vergessenen queeren Opfer nationalsozialistischer Verfolgung“. Das betraf übrigens beide deutsche Staaten. Inzwischen erinnert ein Mahnmal im Berliner Tiergarten an sie. Immerhin, so kann man es lesen im Antrag, entschuldigt sich der Deutsche Bundestag bei allen Opfern und Hinterbliebenen: „Für das damit verbundene Leid, unter anderem durch unterbliebene Entschädigungszahlungen (…) sowie verweigerte Rentenansprüche.“


Ressentiments sind keine Wissenschaft

Petra Sitte, Sprecherin für Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik der Fraktion

Immer wieder hört man die rechte Erzählung der vermeintlichen Einschränkung des Meinungskorridors, die häufig nur den Wunsch nach Widerspruchslosigkeit meint. Während in Florida beispielsweise queere Bücher tatsächlich aus Schulen verbannt wurden, drehte sich die Debatte hierzulande zuletzt um die Absage eines Vortrags zur vermeintlichen Zweigeschlechtlichkeit beim Menschen. Er wurde dann doch gehalten und in der Debatte breit zur Kenntnis genommen. Da muss die Frage erlaubt sein: Was muss Wissenschafts- und Meinungsfreiheit aushalten? Wissenschaft entwickelt sich, sie diskutiert, deckt viele Spektren von  progressiv und konservativ ab, manchmal verharrt sie auch in überholten Mustern und Ideen. Dagegen braucht es auch den Protest und die gesellschaftliche Auseinandersetzung. Aber die Grenze muss klar sein: Die Freiheit der Wissenschaft endet bei der Würde des einzelnen Menschen. Und die ist nicht verhandelbar.