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Prosit, Charly - Totgesagte leben länger

Archiv Linksfraktion - Interview der Woche von Petra Pau,

Petra Pau, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, zum 190. Geburtstag von Karl Marx

Sagt Ihnen das Datum 5. Mai 1818 etwas?

Na klar, das war der Geburtstag von Karl Marx - stimmt, vor nunmehr 190 Jahren. Also: Prosit, Charly.

Und wann haben Sie zuletzt an Karl Marx gedacht?

Erst vor wenigen Tagen. In meiner Jugendweiherede empfahl ich den Jugendlichen eine Maxime von Karl Marx: »An allem ist zu zweifeln!«

Also auch an der eigenen Partei und Fraktion, DIE LINKE?

Prinzipiell ja, aber das wäre hoffentlich nicht das einzige, was Marx uns mit auf den Weg geben würde.

Was könnte das noch sein?

Vielleicht würde er uns sagen: »Lest mich mal wieder?«

»Marx ist tot, Jesus lebt«, hatte ein CDU-Politiker 1990 gesagt.

Erstens: Totgesagte leben länger. Und zweitens: Ich glaube nicht, dass Norbert Blüm diesen Kurzschluss heute wiederholen würde.

Oskar Lafontaine hat jüngst das Kommunistische Manifest ins Spiel gebracht.

Das »Manifest der Kommunistischen Partei« heißt es korrekt. Ich glaube nicht, dass Oskar DIE LINKE als kommunistische Partei begreift. Ich tue es nicht.

Also kein Marx-Manifest im neuen Parteiprogramm?

Das habe ich so nicht gesagt. Zum einem würde ich mich freuen, wenn DIE LINKE endlich mal ein Programm mit dieser klaren Sprache hinbekäme ...

... und zum zweiten?

Nicht alles, was im »Manifest« steht, hat den Praxistest bestanden. Aber etliches stimmt noch immer.

Zum Beispiel?

Dass das Kapital auch den letzten Winkel der Welt erobert und dabei alle bisherigen Werte auf ihren Tauschwert reduziert. Heute nennt man das Globalisierung.

Und was würden Sie heute anders sehen?

Marx hatte im »Manifest« aus seiner damaligen ökonomischen Prognose das abgeleitet, was man später die "historische Mission des Proletariats" nannte. Ich finde heute, das war zu mechanisch.

Das »Manifest« war ein Frühwerk von Karl Marx.

Er schrieb es, als er 28 Jahre alt war. Das spricht für die Jugend und nicht gegen Marx. Sein Co-Autor war übrigens Friedrich Engels, ein Unternehmer aus Wuppertal. Heute würde man sagen: Er hatte Marx gesponsert.

Die historische Ausnahme von der kapitalen Regel?

Ja und Nein. Als Bundeskanzler Schröder und Rot-Grün die Unternehmens-Steuer radikal senkten, da meldete sich ein Dutzend Millionäre aus seiner Heimatstadt Hannover zu Wort. Sie wollten höher besteuert werden, damit der Sozialstaat nicht verödet. Sie waren weitsichtiger als die SPD.

Friedrich Engels hatte auch das Hauptwerk von Karl Marx vollendet.

Ja, »Das Kapital - Kritik der politischen Ökonomie«. Ich habe übrigens den Eindruck, es gibt inzwischen wieder mehr „Kapital“-Seminare. Weniger an Unis, aber zunehmend bei politischen Stiftungen und Bildungs-Vereinen.

War das jetzt eine Empfehlung?

Na klar. Wer, wie alle Linken, die Welt verändern möchte, muss sie auch interpretieren können. Und Karl Marx war ein radikal guter Analyst. Sein Werk »Das Kapital« will erschlossen werden. Aber wer’s wagt, kann nur gewinnen.

Gibt es ein abschließendes Zitat von Karl Marx, das Ihnen besonders gefällt?

Sein undogmatischer Leitspruch: »Nichts Menschliches ist mir fremd!«

Fragen: Rainer Brandt

linksfrkation.de, 5. Mai 2008