Gesine Lötzsch, haushaltspolitische Sprecherin, zum Verkauf der Deutschen Industriebank (IKB) an die texanische Beteiligungsgesellschaft Lone Star, zu den finanziellen Auswirkungen auf die Bundesbürger und politischen Konsequenzen aus der Spekulationspleite
Am 29. August informierte das Finanzministerium die Obleute des Haushaltsausschuss des Bundestages über den Stand des Verkaufs der IKB-Bank. Welche neuen Informationen haben Sie erhalten?Wir als Parlamentarier erhielten nur allgemeine Informationen, die bereits der Presse zu entnehmen waren. Ansonsten müssen wir aus Andeutungen unsere Schlussfolgerungen ziehen. Bereits jetzt ist jedoch klar: Der Löwenanteil der IKB-Verluste muss von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern getragen werden.
Die Schwierigkeiten der IKB-Bank, die sich besonders als Mittelstandsbank profilierte, sind seit Monaten in den Schlagzeilen. Wie konnte es dazu kommen, dass so ein Finanzinstitut - immerhin hält die staatseigene KfW-Bank rund 90 Prozent der Anteile - sich mit hoch riskanten US-Immobilienkrediten verspekuliert? Gibt es kein parlamentarisches Korrektiv, das zu solchen Aktionen vorher befragt wird?
Die IKB wurde durch das Zocken mit Bündeln schlechter US-Kredite an die Wand gefahren. Die Bundesregierung hat dieses sogenannte Verbriefungsgeschäft gezielt gefördert. So schrieb der frühere IKB-Aufsichtsrat und jetzige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Jörg Asmussen, 2006 in einem Artikel der „Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen“, dass die KfW „seit 2000 in Zusammenarbeit mit den Banken das wohl größte Verbriefungsprogramm (58 Transaktionen) in Europa geschaffen hat“. Im Aufsichtsrat der IKB sitzen keine Parlamentarier. Der Verwaltungsrat der KfW hat auch parlamentarische Mitglieder. Diese wurden jedoch nicht ausreichend informiert.
Am 21. August gab die KfW-Bank bekannt, dass sie die IKB an die texanische Beteiligungsgesellschaft Lone Star verkauft sei. Die ganze Aktion - sprich die Rettung der IKB - hat den Steuerzahler nun insgesamt etwa 9,8 Milliarden Euro gekostet. Sehen Sie noch Chancen, diesen Verkauf zu stoppen?
Die Bundesregierung scheint wild entschlossen zu sein, den Verkauf auf Biegen und Brechen noch vor dem Wahljahr 2009 durchzuziehen. Angesichts der derzeitigen politischen Mehrheitsverhältnisse ist es nicht besonders wahrscheinlich, dass der Verkauf an die „Heuschrecke“ Lone Star noch gestoppt wird. Lone Star sucht den schnellen Gewinn, wird das Kundenwissen der IKB ausschlachten. Keine guten Nachrichten für die überwiegend mittelständischen Kunden der IKB.
Es sieht ganz danach aus, als würde die Bundesregierung die Steuerzahler doppelt bluten lassen. Erst wurde mit Steuergeldern spekuliert, dann sollen die Bürgerinnen und Bürger auch noch für die Verluste gerade stehen. Könnte man nicht stärker den privaten Sektor der IKB-Anteilseigner zur Kasse „bitten“?
Das wäre erforderlich. Es gibt dafür jedoch bisher keine rechtliche Grundlage. Die privaten Anteilseigner der IKB setzen ganz kühl darauf, dass es sich der Staat aufgrund der Folgewirkungen nicht leisten kann, die IKB in die Insolvenz rutschen zu lassen.
Warum ist es in Deutschland nicht möglich, dass diejenigen, die die Spekulationen zu verantworten haben, auch dafür persönlich haftbar gemacht werden?
Es ist noch nicht klar, ob tatsächlich niemand persönlich haftbar gemacht werden kann. Ich halte es jedoch leider für wahrscheinlich, dass sich die Verantwortlichen erfolgreich darauf berufen werden, dass sie im Rahmen des ihnen Erlaubten handelten.
DIE LINKE hat auch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gefordert. Welches Ziel sollte damit verfolgt werden?
Geklärt werden muss, warum welche Kontrollmechanismen versagt haben, wer von den IKB-Spekulationen profitiert hat und welche Rolle die Bundesregierung dabei gespielt hat.
Welche Belastungen werden wegen der anhaltenden Finanzkrise auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler im nächsten Jahr zukommen? Welche Konsequenzen sehen Sie?
Der Gesamtschaden lässt sich noch nicht beziffern. Am Ende wird es auf eine Belastung für die Allgemeinheit im zweistelligen Milliardenbereich hinauslaufen. Es kommt darauf an, mit Hilfe der Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses die rechtlichen Grundlagen des Kreditgeschäfts einschließlich der Regeln für persönliche Haftbarkeit zu verbessern und mehr Transparenz zu schaffen, damit sich ein Debakel wie bei der IKB nicht wiederholen kann.
linksfraktion.de, 2. September 2008