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Das Grundgesetz-Zitat "Die Würde des Menschen ist unantastbar" an der Fassade eines Gerichtsgebäudes in Frankfurt am Main  © Arne Dedert/dpaFoto: Arne Dedert/dpa

NSU 2.0: Weiterhin viele Fragen offen

Archiv Linksfraktion - Nachricht von Martina Renner, Janine Wissler,

Zwischen August 2018 und März 2021 hatte Alexander Horst M. mehr als 80 Drohschreiben an Personen des öffentlichen Lebens, insbesondere Frauen, per E-Mail, Fax oder SMS verschickt. Unterschrieben waren die Todesdrohungen sowie rassistischen, sexistischen und misogynen Beschimpfungen mit „NSU 2.0“, eine Anspielung auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), die von 2000 bis 2007 elf Menschen ermordete. Nun ist M. vom Landgericht Frankfurt am Main zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden.

„Das heutige Urteil im sogenannten NSU-2.0-Prozess lässt relevante Fragen offen. So wies das Gericht in seiner Begründung darauf hin, dass die Abfrage der geschützten Daten der Betroffenen Başay-Yıldız in einem Frankfurter Polizeirevier unmittelbar vor dem Eingang des ersten Droh-Faxes nach wie vor völlig ungeklärt ist. Warum diese und andere Daten der Betroffenen abgerufen wurden und wie sie zum Angeklagten gelangten, muss Gegenstand weiterer ernsthafter Ermittlungen sein“, erklärt Martina Renner, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE und selbst eine der Betroffenen der rechtsextremen Drohschreiben. 

„Das Urteil macht jedoch auch deutlich, dass derartige Drohschreiben die Menschenwürde der Betroffenen verletzen. Das ist ein klares Signal an andere Täter und Netzwerke, die Menschen aus rassistischen und frauenfeindlichen Motiven beleidigen, bedrohen und versuchen, zu nötigen.“

Janine Wissler, ebenfalls Betroffene der Drohschreiben, ergänzt: „Ich halte die These des Einzeltäters im NSU 2.0-Komplex für nicht plausibel. Das Urteil setzt ein deutliches Signal gegen rechte Drohungen. Es bleiben aber viele Fragen offen, wie das Gericht auch selbst im Urteil festgestellt hat. Insbesondere die Frage, wie der Täter an die Daten kam, die kurz vor den Morddrohungen in insgesamt fünf verschieden Polizeirevieren abgerufen wurden. Der Fokus muss auf die Offenlegung der Strukturen dahinter gelegt werden.

Rechte Netzwerke und Nazi-Chatgruppen bei der hessischen Polizei gab es, das ist erwiesen. Vor diesem Hintergrund das Bestehen rechter Netzwerke innerhalb der hessischen Polizei auszuschließen, wie das der hessische Innenminister tut, ist Wunschdenken und Realitätsverleugnung. Gut, dass der Täter ermittelt und heute verurteilt wurde, NSU 2.0 ist damit aber nicht vollständig aufgeklärt.“