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Niedriglohnland Deutschland – 3,6 Millionen Vollzeitbeschäftigte unter Niedriglohnschwelle

Nachricht von Susanne Ferschl,

Susanne Ferschl zeigt mit einer Anfrage an die Bundesregierung: Im Jahr 2023 lag das Gehalt von rund 3,36 Millionen sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten in Deutschland unterhalb der Niedriglohnschwelle. Das entspricht einem Anteil von 15,3 Prozent aller Beschäftigten.

 

Niedriglöhne sind häufig nicht existenzsichernd und gefährden die Teilhabe am sozialen Leben (Stichwort: „Arm trotz Arbeit“, vgl. bpb). Die verbreiteste Vergleichsgröße, um zu beziffern, wie viele Beschäftigte von Niedriglöhnen betroffen sind, ist die Niedriglohnschwelle. Sie liegt bei zwei Dritteln des Median-Bruttostundenverdiensts aller abhängigen Beschäftigungsverhältnisse (ohne Auszubildende). Der Bundesregierung zufolge lag die Niedriglohnschwelle 2023 bei 13,04 Euro. Im selben Jahr erhielten ungefähr 3,36 Millionen sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigte ein Entgelt unterhalb dieser Schwelle. Dies bedeutet, dass mehr als jede siebte sozialversicherungspflichtig vollzeitbeschäftigte Person einen Niedriglohn erhält (15,3 %). Dieser Wert ist mit den Jahren leicht rückläufig, was vor allem am Rückgang der Niedriglohnquote in Ostdeutschland liegt. Hier ist jedoch zu beachten, dass es sich um einen Rückgang auf extrem hohen Niveau handelt. Erhielt 2019 noch fast jeder dritte sozialversicherungspflichtig vollzeitbeschäftigte Person in Ostdeutschland ein Entgeld unterhalb der Niedriglohnschwelle (30,4 %), waren es 2023 „nur noch“ mehr als jeder Fünfte (22,4 %). Damit ist Ostdeutschland nach wie vor stark überrepäsentiert. Die fünf am stärksten betroffenen Landkreise liegen allesamt in Ostdeutschland – im Landkreis mit der höchsten Niedriglohnquote (Erzgebirgskreis) erhält mehr als jede dritte sozialversicherungspflichtig vollzeitbeschäftigte Person (34,1 %) ein Entgelt unterhalb der Niedriglohnschwelle.

Die niedrigsten Medianlöhne und den höchsten Anteil an sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten mit einem Enteglt unterhalb der Niedriglohnschwelle findet man in den Reinigungsberufen, in Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufen sowie in der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung. Der Medianlohn in den Reinigungsberufen lag 2023 gerade mal bei 2.422 Euro und der Anteil an sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten mit einem Entgelt unterhalb der Niedriglohnschwelle bei 57,8 Prozent.

Obwohl die Löhne in den letzten zehn Jahren im untersten Quantil relativ gesehen deutlich stärker gestiegen sind (Gesamtdeutschland, 2013-2023: +48,0 %) als im obersten Quantil (Ostdeutschland, 2013-2023: +37,5 %; Westdeutschland, 2013-2023: +25,1 %)1, ist hervorzuheben, dass die Löhne im gleichen Zeitabschnitt in absoluten Zahlen im obersten Quantil mehr als doppelt so stark gestiegen sind als im untersten Quantil (Ost, 2013-2023, 10%-Quantil: +873 Euro, 90%-Quantil: +1.688 Euro; West, 2013-2023, 10%-Quantil: +668 Euro, 90%-Quantil: +1.457 Euro).

Susanne Ferschl, gewerkschafts- und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Gruppe Die Linke im Bundestag äußert sich dazu wie folgt:

"Auf der Deutschlandkarte stechen die ostdeutschen Länder bei der Niedriglohnquote deutlich hervor - nach wie vor erhält dort jede und jeder fünfte Beschäftigte in Vollzeit einen Lohn unterhalb der Niedriglohnschwelle. Es ist über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht hinnehmbar, dass gleiche Arbeit in Ostdeutschland systematisch schlechter entlohnt wird als in Westdeutschland. Wenn nach den Wahlergebnissen in Sachsen und Thüringen in den Talkshows dieses Landes wieder über die Frage debattiert wird, was die AfD so stark macht, darf dies nicht vergessen werden. Dabei ist bekannt, was gegen Niedriglöhne hilft, unabhängig davon, ob in Ost oder West: Ein Mindestlohn, der die Niedriglohnschwelle nicht unterschreitet und mehr Tarifverträge durch eine Stärkung der Tarifbindung. Wenn die Bundesregierung den Rechtsruck bekämpfen will, braucht es u.a. mehr Lohngerechtigkeit und einen starken Sozialstaat."

Die gesamte Auswertung finden Sie hier.