Hohe Erwartungen an Untersuchungsausschuss
Am Donnerstag entscheidet der Untersuchungsausschuss des Bundestages, der sich mit der Tätigkeit der Geheimdienste im Anti-Terror-Kampf befasst, über Zielsetzungen, Zeitplan und Vorgehen seiner Arbeit.Was die Linksfraktion am Dienstag staunend bewundern konnte - Transparenzgewinn durch eine deutliche Vergrößerung ihres für 53 Abgeordnete bisher zu knapp bemessenen Fraktionssaals -, wird ihr anderswo nicht so leicht gemacht. Die Kontrolle der Geheimdienste in Deutschland, die im Bundestag über das Parlamentarische Kontrollgremium funktionieren soll, ist nach Auffassung des Linkspartei-Obmanns in diesem Gremium, Wolfgang Neskovic, eine Farce. Willkürliche Auswahl der dort präsentierten Informationen sowie Schweigepflicht der Mitglieder ließen Kontrolle nicht zu, die Sanktionsmöglichkeiten brauche - zum Beispiel durch Öffentlichkeit.
Wenn am Donnerstag der Untersuchungsausschuss zur so genannten BND-Affäre zusammentritt, steht er vor einer ähnlich schwierigen Frage. Für Neskovic lautet diese: Wie weit hat sich die deutsche Rechtswirklichkeit vom geschriebenen Verfassungsrecht entfernt? Denn dass diese »von Staats wegen« nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eine dramatische Tendenz zur Willkür aufweist, darauf weisen viele Indizien im Umfeld von CIA-Gefangenenflügen, Geheimdienstdeals, Aufweichungen des strikten Folterverbots hin.
Für Neskovic geht es um die Gefahr einer Verschiebung grundlegender rechtlicher Parameter - entsprechend motiviert ist er. Denn »dann kriegen wir einen anderen Staat. Und in einem solchen möchte ich nicht leben.« Zugleich: »Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit«. Die Sitzung am Donnerstag sollte daher zunächst die Grundlagen des Verfahrens klären, das Vorgehen, den Zeitplan, der vermutlich bis ins »deutlich nächste Jahr« reichen dürfte. Die größte Unbekannte jedoch wird das gemeinsame Vorgehen der Opposition. Auch wenn Neskovic sich beinahe darauf freut, dass die Koalition bei der Aufklärung mauern könnte - denn dann würden Gerichte »die entscheidenden Schneisen« der Wahrheitsfindung schlagen können. Doch hierüber müssten sich FDP, Linksfraktion und Grüne einig sein - es braucht das Votum von einem Viertel der Ausschussmitglieder. Da gilt es im Einzelfall womöglich nicht nur Wände, sondern Berge zu versetzen.
Neues Deutschland, 10. Mai 2006