Globale Klimagas-Emissionen sind seit 1990 um 30 Prozent gestiegen
Im Kyoto-Protokoll hatten sich die Industrieländer 1997 verpflichtet, im Zeitraum 2008 bis 2012 ihren Klimagas-Ausstoß um mindestens fünf Prozent gegenüber 1990 zu mindern. Knapp zehn Jahre danach sieht die Zwischenbilanz dürftig aus.Laut UN-Klimasekretariat sind die Treibhausgasemissionen der Industrieländer von 1990 bis 2005 um 2,8 Prozent gesunken. Doch diese Minderung geht weitgehend auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch Osteuropas Anfang der 90er Jahre zurück. Dort lag der Klimagas-Ausstoß auch 2005 noch um 35,2 Prozent unter dem Niveau von 1990. Der Rest der industrialisierten Welt legte trotz Kyoto um elf Prozent zu. Werden keine weiteren Maßnahmen ergriffen, rechnet das UN-Klimasekretariat bis 2010 mit einem Anstieg der Industrieländeremissionen von über 4 Prozent gegenüber 1990.
Die USA sind bis heute nicht Mitglied des Kyoto-Clubs. Darin liegt der Hauptgrund für die schlechte Bilanz, stiegen die Emissionen des weltweit größten Klimagas-Verursachers seit 1990 doch um mehr als 16 Prozent. Doch auch die Emissionen der alten »EU-15«, die sich in Kyoto zu einem Minderungsziel von 8 Prozent verpflichtet hatten, sind bislang nur um 1,5 Prozent gefallen.
Sorgenkind in nahezu allen Industriestaaten ist der Verkehrsbereich, dessen Emissionen gegen den Trend der meisten anderen Sektoren massiv zulegten. Auf EU-Ebene ist dies auf das Scheitern der freiwilligen Selbstverpflichtung der europäischen Autoindustrie zur Senkung der CO2-Emissionen zurückführen, aber auch auf die fortwährende Dominanz einer auf den motorisierten Individualverkehr ausgerichteten Planung.
Trotzdem werden voraussichtlich alle Kyoto-Staaten ihre Verpflichtungen einhalten. Kanada, Japan und viele EU-Mitglieder werden überschüssige Emissionsrechte in Osteuropa und Russland erwerben. Der Rest an Mehrausstoß wird durch Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern über den »Clean Development Mechanism« (CDM) kompensiert. Dabei kommt aber auch eine Vielzahl »fauler Zertifikate« zur Anrechnung. Laut einer aktuellen Studie des Öko-Instituts können 40 Prozent der CDM-Projekte nicht nachweisen, dass sie »zusätzlichen« Klimaschutz in Entwicklungsländern betreiben. Werden diese ungedeckten Schecks auf die Emissionsbilanz der Industrieländer angerechnet, führt dies global zu einem Mehrausstoß an Klimagasen.
Ein Verhandlungsmandat der Bali-Konferenz muss nicht nur diese Missstände aufgreifen. Es geht nicht mehr nur um den Ausstoß der Industrieländer. Für das Ziel, die globale Erwärmung auf zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, muss der Anstieg der Emissionen bis spätestens 2015 gestoppt werden. Zum Vergleich: Zwischen 1990 und 2005 stiegen die CO2-Emissionen weltweit um 30 Prozent an. Die Bundesregierung und die EU setzen sich daher für eine Halbierung der globalen Emissionen bis 2050 ein. Diese klimapolitische Daumenregel setzte sich dieses Jahr im politischen Mainstream durch. Meist wurde dabei auf den diesjährigen UN-Klimabericht verwiesen. Doch der kommt zu ganz anderen Schlussfolgerungen: Die Erdtemperatur reagiert deutlich sensibler auf den Anstieg der Klimagas-Konzentration in der Atmosphäre, als bisher angenommen. Um das 2-Grad-Ziel sicher zu erreichen, müssten die globalen Emissionen um 60 bis 80 Prozent zurückgefahren werden. Für Industrieländer würde dies Minderungen von über 90 Prozent bis 2050 bedeuten.
Klimagerechtigkeit ist die Losung der Stunde. International müssen gerechte und transparente Regeln für die Zuerkennung von Emissionsrechten vereinbart werden, die den Entwicklungsbedürfnissen des Südens Rechnung tragen. Die ärmsten Länder sind zudem beim Umgang mit den Folgen des Klimawandels zu unterstützen. Aber auch in Industrieländern ist der erforderliche radikale Wandel nur umsetzbar, wenn er zu keiner weiteren Spaltung der Gesellschaft führt. Bei allen Möglichkeiten von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz-Technologien steht langfristig das wachstumsfixierte Wohlstandsmodell der Industriemoderne auf dem Prüfstand.
Von Bernd Brouns
Bernd Brouns ist Referent für Energie- und Umweltpolitik der Bundestagsfraktion Die LINKE.
Neues Deutschland, 3. Dezember 2007