Altersteilzeit-Beschluss bringt weiteren Koalitionsstreit / IG Metall macht bundesweit Druck
Weniger als eine Woche nach dem Spitzentreffen der Koalition sorgt das SPD-Konzept zu Altersteilzeit für neuen Zündstoff im schwarz-roten Regierungsbündnis. Der DGB begrüßte das Einschwenken der SPD auf die Forderungen der Gewerkschaften. Die LINKE forderte die Sozialdemokraten auf, ihren Sinneswandel im Bundestag unter Beweis zu stellen.Berlin (Agenturen/ND). Das SPD-Präsidium beschloss am Montag einstimmig das Konzept der Partei zur Ausweitung der Altersteilzeit. Es soll laut Generalsekretär Hubertus Heil flexiblere Übergänge aus dem Arbeitsleben in den Ruhestand ermöglichen. Geholfen werden soll dadurch Menschen, die so schwere Arbeit leisten, dass sie nicht bis 67 voll arbeiten können. Vorgesehen ist eine Verlängerung der staatlichen Förderung bis 2015, wobei die frei werdenden Arbeitsplätze für Jüngere gesichert werden sollen. Bisher läuft die Förderung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur 2009 aus. Die Teilrente soll nach dem Konzept der SPD von 2010 an schon ab 60 Jahren und ohne Zuverdienstgrenzen möglich sein.
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla bezeichnete die Altersteilzeit als »staatlich subventionierte Frühverrentung«. »Von einem fließenden Übergang zur Rente kann gar keine Rede sein«, sagte er. Die Regelung koste 1,4 Milliarden Euro im Jahr und werde von vielen als Form der Altersdiskriminierung empfunden. Auch den SPD-Plan für eine frühere Teilrente wies die CDU zurück. Die Parteispitze sei sich darin weitgehend einig, so Pofalla .
DGB-Chef Michael Sommer nannte die SPD-Vorschläge dagegen »erfreulich«. Darüber hinaus forderte er am Montag in Berlin eine deutliche Verbesserung bei den Erwerbsminderungsrenten und den Verzicht auf die Rente mit 67. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warnte dagegen vor einer Rückkehr zur »unsinnigen« Frühverrentung. Der Beschluss des SPD-Präsidiums führe einen weiteren Schritt weg von der erfolgreichen Reform-Agenda 2010.
Die Opposition im Bundestag reagierte gespalten: FDP-Vize Rainer Brüderle wertete das SPD-Konzept als Verstoß gegen die Reformagenda des ehemaligen SPD-Chefs Franz Müntefering. Linkspartei-Vize Klaus Ernst forderte die SPD auf, im Bundestag für einen Antrag der Linksfraktion zur Verlängerung der Altersteilzeit zu stimmen. Dieser liege dem Parlament längst vor. »Wir werden ihn notfalls zur namentlichen Abstimmung stellen«, sagte er. Grünen-Expertin Brigitte Pothmer warf der SPD vor, »ohne arbeitsmarktpolitischen Kompass unterwegs« zu sein. Die Angst vor den LINKEN raube den Sozialdemokraten den Verstand.
Unterdessen verstärkte die IG Metall vor der fünften Verhandlungsrunde für eine neue Altersteilzeit den Druck auf die Arbeitgeber: Bundesweit mehr als 30 000 Arbeitnehmer folgten ihrem Warnstreikaufruf.
An diesem Mittwoch verhandeln die IG Metall und der Arbeitgeberverband Südwestmetall erneut über eine Anschlussregelung für die staatlich geförderte Altersteilzeit. Die Tarifpartner im Pilotbezirk Baden-Württemberg mit 800 000 Beschäftigten führen die Gespräche stellvertretend für alle Tarifbezirke. Die Branche zählt bundesweit 3,4 Millionen Mitarbeiter.
Neues Deutschland, 17. Juni 2008