22 Prozent der zum Mindestlohn Beschäftigten sind trotz Vollzeitjob auf Sozialleistungen angewiesen. Das geht aus einer
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage »Erforderliche Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zur Armutsbekämpfung« von Susanne Ferschl hervor.
Der gesetzliche Mindestlohn soll laut Mindestlohngesetz (MiLoG) einen „angemessenen Mindestschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ (§ 9 Absatz 2 Satz 1 MiLoG) garantieren. Um diesen Mindestschutz zu gewährleisten, ist laut Bundesregierung eine Orientierung des gesetzlichen Mindestlohns an dem „international anerkannten Schwellenwert von 60 Prozent des Bruttomedian- lohns“ notwendig. Weiter heißt es in der Begründung des Mindestlohnerhöhungsgesetzes, in dessen Rahmen die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro beschlossen wurde: „Ein sich an diesem Wert orientierender Mindestlohn ermöglicht es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern typischerweise, über das bloße Existenzminimum hinaus am sozialen und kulturellen Leben teilzuhaben und für unvorhergesehene Ereignisse vorzusorgen. Damit wird der Mindestlohn dahingehend weiterentwickelt, dass der Aspekt einer angemessenen gesellschaftlichen Teilhabe der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zum Mindestlohn beschäftigt werden, bessere Berücksichtigung findet. Gleichzeitig bewirkt die Erhöhung, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Regel finanziell bessergestellt werden als vergleichbare Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Auf diese Weise wird ein Anreiz zur Aufnahme von Erwerbstätigkeit gesetzt, ohne die sozialrechtliche Pflicht des Staates zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums in Frage zu stellen.“ (Gesetzesentwurf der Bundesregierung, S. 17)
Die von den Partei Die Linke lange geforderte Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns hat Druck auf die Bundesregierung ausgeübt. Die Erhöhung auf 12 Euro im Oktober 2022 ist ein Erfolg, der auch DER LINKEN zuzuschreiben ist. Anhand unserer Zahlen lässt sich belegen: 2019 hätten 43,8 Prozent der alleinstehenden Beschäftigten, die Vollzeit zum Mindestlohn arbeiten, Anspruch auf SGB-II-Leistungen (vgl. Bundestag-Drucksache 19/16881, Frage 5), im Januar 2024 wären es lediglich 22,4 Prozent (vgl. Frage 5, Antwort der Bundesregierung).
Der Fortschritt in Bezug auf einen Mindestschutz der Beschäftigten wird jedoch ausgebremst: Durch die mickrige Erhöhung auf 12,41 Euro ist dieser nach wie vor nicht für alle Beschäftigten gewährleistet. Im Januar 2024 hatten noch immer 22,4 Prozent der Beschäftigten, die Vollzeit zum Mindestlohn arbeiten, ergänzenden Anspruch auf Bürgergeld. Besonders in den Ballungsräumen von Großstädten wie München, Hamburg oder Frankfurt reicht er oft nicht aus, um das sozio-kulturelle Existenzminimum gemäß des Bürgergeldes zu garantieren. Dafür verantwortlich ist - neben der Höhe des Mindestlohns – vor allem das örtliche Mietniveau. Im Extremfall „Landkreis München“ liegt die Differenz zwischen durchschnittlichen laufenden Kosten für Unterkunft und Heizung und dem verfügbaren Einkommen (571 Euro) sogar bei 168 Euro (vgl. Frage 2 und 3, Antwort der Bundesregierung). Ein Stundenlohn der das sozio-kulturelle Existenzminimum gerade so abdeckt, müsste hier bei 14,16 Euro liegen (vgl. Frage 4, Antwort der Bundesregierung)
Vergleicht man unsere Anfragen von 2020 und 2024, kann festgestellt werden, dass die Mieten, die Menschen in der Grundsicherung bezahlen müssen, in diesem Zeitraum massiv gestiegen sind. Während die bundesdurchschnittlichen tatsächlich laufenden Leistungen für Unterkunft und Heizung im Jahr 2019 noch bei 398 Euro lagen (vgl. Bundestag-Drucksache 19/16881, Frage 2), liegen sie im Januar 2024 bei 474 Euro (vgl. Frage 2, Antwort der Bundesregierung).
O-Ton Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Bundestag:
„Nicht nur hohe Verbrauchspreise, sondern auch die explodierenden Mieten fressen die Löhne auf. Um vor allem für Beschäftigte im Mindestlohnbereich einen Mindestschutz zu realisieren, muss der Mindestlohn auf gut über 14 Euro steigen und die Mieten gedeckelt werden. Hohe Mieten werden aber zunehmend auch für mittlere Einkommen zum Problem und verschärfen den Fachkräftemangel in den Ballungszentren. Es kann doch nichts sein, dass Busfahrer, Krankenpfleger, Angestellte im Öffentlichen Dienst oder der Gastronomie in den Ballungszentren zwar als Fachkräfte dringend gebraucht werden, aber keine bezahlbaren Wohnungen finden. Schluss damit – Mindestlohn rauf, Tarifbindung stärken und Mieten deckeln.“