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Frauen und Männer in blauen Kitteln arbeiten an Nähmaschinen in einer Fabrik @ iStock/andresr

Leiharbeit: Beschäftigte zweiter Klasse

Archiv Linksfraktion - Nachricht von Susanne Ferschl,

Inzwischen gehört Leiharbeit in vielen Branchen fest zum Geschäftsmodell, denn sie ist flexibel einsetzbar und billig. Leiharbeitskräfte verdienen jedoch bei gleicher Ausbildung und gleicher Tätigkeit häufig schlechter als ihre angestellten Kolleginnen und Kollegen im selben Betrieb. Wie groß die Lohnlücke tatsächlich ist, zeigt die Antwort der Bundesagentur für Arbeit auf eine Anfrage von Susanne Ferschl, Sprecherin für Arbeit und Mitbestimmung der Fraktion DIE LINKE, über die die Frankfurter Rundschau berichtete.

"Arbeitnehmer zweiter Klasse darf es nicht länger geben", fordert Ferschl. "Wenn Arbeit sich lohnen soll, wie die FDP so gern fordert, und die SPD es mit dem versprochenen Respekt für Beschäftigte ernst meint, dann muss der Grundsatz 'Gleicher Lohn für gleiche Arbeit' auch für Beschäftigte in der Leiharbeit gelten. Dafür müssen die Regelungen, die eine Schlechterstellung durch Tarifvertrag erlauben, aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gestrichen werden."

Im vergangenen Jahr arbeiteten 811.776 Menschen in der Leiharbeit. Der Anteil der Leiharbeitskräfte an allen Beschäftigten betrug knapp 2,1 Prozent. Wie die Zahlen erneut zeigen, lohnt sich die Leiharbeit jedoch hauptsächlich nur für die Unternehmen: Das mittlere Bruttomonatsentgelt (Median) von Leiharbeitsbeschäftigten liegt unabhängig vom erworbenen Bildungsabschluss und branchenübergreifend mindestens ein Viertel unterhalb der Einkommen von Stammbeschäftigten.

Mehrheit der Leiharbeitskräfte haben anerkannten Berufsabschluss

In Vollzeit beschäftigte Leiharbeitende verdienten 2022 ein Medianentgelt in Höhe von 2.254 Euro, während das Medianentgelt aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten bei 3.646 Euro lag - ein Unterschied von 1.392 Euro oder 38,2 Prozent. Fast 60 Prozent der Leiharbeitskräfte arbeiten zu einem Niedriglohn – im Vergleich dazu sind es unter allen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten 16,5 Prozent. In der Branche Verkehr/Logistik bekommen sogar mehr als 80 Prozent der Leiharbeitskräfte ein Gehalt unter der OECD-Niedriglohnschwelle. 

Dabei ist die Mehrheit der Leiharbeitsbeschäftigten (57 Prozent) entgegen landläufig verbreiteter Vorurteile keinesfalls "ungelernt" oder ohne Abschluss, sondern verfügt über einen anerkannten Berufs- oder akademischen Abschluss. Das heißt: Ein Berufsabschluss oder ein akademischer Abschluss schützen Leiharbeitskräfte nicht vor Niedriglöhnen. Normalerweise sinkt das Risiko, für einen Niedriglohn arbeiten zu müssen, mit einem Abschluss. Bei Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern ist das nicht der Fall: Fast jede zweite Leiharbeitskraft erhält trotz eines Berufsabschlusses einen Niedriglohn, bei den Akademikern ist es noch immer fast jede/r Fünfte.

Ein erheblicher Vorteil muss gewährt werden

Die 2017 mit der AÜG-Novelle eingeführte Regelungen zu Equal Pay in der Leiharbeitsbranche hat diese Lohnlücke nicht zu schließen vermocht. Denn die gesetzliche Regelung des Equal Pay greift zwar grundsätzlich ab dem ersten Einsatztag, allerdings sind per Tarifvertrag Ausnahmeregelungen bis zu neun Monaten erlaubt und per Branchenzuschlagstarifvertrag können daraus sogar 15 Monate werden.

Gegen diese Regelung und auf Nachzahlung ihres durch niedrigere Tarifentgelte verloren gegangenes Einkommen klagte sich eine Leiharbeitnehmerin durch die Instanzen. Der Europäische Gerichtshof entschied im Dezember 2022, dass Tarifverträge, die eine schlechtere Entlohnung für Leiharbeitskräfte vorsehen, nur zulässig sind, wenn der Gesamtschutz gewährleistet ist. Das bedeutet: Es muss dann an anderer Stelle ein erheblicher Vorteil gewährt werden, beispielsweise mehr Urlaub oder kürzere Arbeitszeiten.

Demgegenüber stellte das entscheidende Bundesarbeitsgericht Ende Mai überraschend fest, dass die Tarifverträge in der Arbeitnehmerüberlassung wirksam sind, weil die Fortzahlung eines Entgelts für Leiharbeitsbeschäftigte auch in verleihfreien Zeiten als Ausgleichsvorteil für eine schlechtere Entlohnung zählt. Das ist in Deutschland allerdings gesetzlich festgeschrieben. Der Tarifvertrag schafft also keinen neuen Anspruch.

Bis zu einem baldmöglichsten Verbot von Leiharbeit fordern wir, dass die Tariföffnungsklausel in § 8 AÜG gestrichen wird, sodass Leiharbeitsbeschäftigte zwingend gleichgestellt werden und ausnahmslos ab dem ersten Einsatztag die gleiche Vergütung und die gleichen Arbeitsbedingungen wie Festangestellte erhalten. Darüber hinaus ist ihnen ein Flexibilitätszuschlag von 10 Prozent auf den Lohn zu gewähren. 


Ergebnisse im Einzelnen
Antrag der Linksfraktion: Leiharbeit – Gleichen Lohn für gleiche Arbeit durchsetzen