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Mitglieder des Vereins der in der DDR geschiedenen Frauen in Magdeburg | Foto (c) Julia NowakFoto: Julia Nowak

Scheidung im Osten, Rentenkatastrophe nach der Einheit

Archiv Linksfraktion - Nachricht,

Von Gisela Zimmer

Es ist ein schäbiges Kapitel der deutsch-deutschen Vereinigung. Frauen, in der DDR geschieden, aber mit einer eigenen langjährigen Arbeitsbiografie, werden bis heute mit einer Rente abgespeist, die nichts mit ihrer tatsächlichen Lebensleistung zu tun hat.

Zum Beispiel Anita Eschgerber: Sie muss mit monatlich 639 Euro netto auskommen. Da ist die sogenannte Mütterente für ihre Zwillinge schon dabei. Gelernt hatte sie Uhrmacherin, jung geheiratet, dann die Kinder bekommen und sie bis zum dritten Lebensjahr betreut, gleichzeitig noch stundenweise in der Werkstatt ihres Mannes die Büroarbeit erledigt. Damals gab es auch im Osten noch keine flächendeckende Kita-Betreuung. Allerdings konnten sich die damaligen Mütter ihren gesetzlichen Rentenanspruch durch eine freiwillige Versicherung erhalten. Und später, für die eigene Rentenberechnung, zählten ohnehin die letzten 20 Arbeitsjahre. Da waren die Kinder längst aus dem Haus und die Frauen wieder in Vollzeit. Anita Eschgerber arbeitete zuletzt als Empfangssekretärin in einem Hotel. Mit dem eigenen Gehalt konnte sie und alle anderen Mütter auf eine eigene, gute und vom Ehemann unabhängige Rente bauen. Selbst nach einer Scheidung. Anita Eschgerbers Ehetrennung fand im April 1989 statt, nur wenige Monate vor dem Mauerfall. Ein Anrecht auf den im Westen seit 1977 üblichen Versorgungsausgleich hat sie dennoch nicht. Die DDR sah ihn nicht vor, und somit wurden den geschiedenen DDR-Frauen diese aus Ehezeiten gemeinsamen Versorgungsansprüche nicht zugebilligt.

Und so sind ihre Rentenbescheide beängstigend: knapp 400 Euro, 580 Euro, 650 Euro. Mal ein paar Euro mehr, mal ein paar weniger – aber immer weit unter der Grundsicherung. Und das trotz Arbeit. Diese Benachteiligung bemerkten alle Frauen erst mit ihrem eigenen Renteneintritt, in den 1990er Jahren. Waren sie zunächst vereinzelt, gründeten sie 1999 zwischen Rostock, Berlin, Leipzig, quer durch alle neuen Bundesländer den Verein der in der DDR geschiedenen Frauen. Seit 20 Jahren kämpfen sie selbstbewusst um ihr Recht. Sie schrieben Briefe an die jeweiligen Ministerpräsidenten, an sämtliche Fraktionen im Bundestag, sie standen vor den Türen der zuständigen Bundesministerien, sie sprachen persönlich mit Angela Merkel. Passiert ist nichts, gar nichts. Die Frauen, inzwischen 70, 80 und mehr Jahre alt, wurden abgewimmelt, vertröstet. Das maximale montane Versprechen aus dem Bundesfamilien- bzw. Arbeitsministerium heißt: Man prüfe eine Härtefallregelung.

Dabei sah der Einigungsvertrag Sonderregelungen vor. Man hätte sie suchen und finden können, seit fast 30 Jahren. Waren bei Gründung des Vereins noch 800 000 in der DDR geschiedene Frauen offiziell registriert, sind es mittlerweile nur noch 300 000. Die Bundesregierungen haben das Problem ausgesessen, auf dem Rücken von Frauen mit extrem niedrigen Renten. Aufgeschreckt wurde die jetzige schwarz-rote Koalition erst jetzt wieder durch die Frauenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Sie sieht in der Rentenbenachteiligung der geschiedenen DDR-Frauen eine Menschenrechtsverletzung. Eigentlich sollte bis März dieses Jahres die deutsche Regierung staatliche Modelle entwickeln, die die Rentnerinnen für den bisherigen Verlust entschädigen und ihn zukünftig ausgleichen sollten. Die Bundesregierung jedoch meint, diese Aufforderung der UN-Frauenrechtskonvention sei rechtlich nicht bindend. Warum nicht? Immerhin hat sie die Konvention für Frauenrechte unterschrieben und ist ihr beigetreten.