In strukturschwachen Regionen könnte die Einführung dieses Modells geprüft werden. Linkspartei orientiert aber nach wie vor auf gesetzliches Mindesteinkommen. Ein Gespräch mit Dietmar Bartsch
Dietmar Bartsch ist Bundesgeschäftsführer der Linkspartei. PDS und BundestagsabgeordneterEinige Vertreter der Linkspartei haben sich kategorisch gegen die Einführung von Kombilöhnen ausgesprochen. Sie dagegen haben eine Zustimmung unter bestimmten Bedingungen nicht ausgeschlossen. Welche sind das?
Ich habe deutlich gesagt, daß ich mich zu einem Gesetzentwurf erst dann verhalten kann, wenn er vorliegt. Ich lehne nicht von vornherein etwas ab, was ich nicht kenne. Was bisher von der CDU, aber auch von der SPD zu diesem Thema gekommen ist, war ja eher wolkig. Ansonsten, auch darauf lege ich großen Wert, ist der Kombilohn auf der Agenda der Linkspartei nicht auf den ersten Plätzen. Wir haben andere Prioritäten.
Aber im ZDF haben Sie am vergangenen Dienstag erklärt, daß Kombilohnmodelle unter bestimmten Bedingungen für Sie vorstellbar wären.
Für uns ist entscheidend, daß keine Lohnspirale nach unten eingeleitet wird, daß Nettolöhne nicht sinken, sondern steigen. Ansonsten bin ich dafür, daß wir insbesondere in strukturschwachen Regionen - und da befinde ich mich in Übereinstimmung auch mit dem Linkspartei-Arbeitsminister in Mecklenburg-Vorpommern - genau prüfen sollten, wie wir im Einzelfall für bestimmte Zeiten kombinierte Lohnmodelle einführen können.
Aber solche Löhne würden doch auch nach den Vorstellungen Ihrer in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern mitregierenden Parteifreunde unter den tariflichen Standards liegen, wie sie für vergleichbare Arbeiten, z. B. im öffentlichen Dienst, festgelegt sind.
Genau das darf allerdings nicht geschehen. Für uns ist völlig klar - im übrigen sehen das auch Helmut Holter und Harald Wolf so -, daß das Tarifrecht nicht nur ein hohes Gut ist, sondern eines, das nicht ausgehöhlt werden darf. Deshalb setzen wir uns für einen gesetzlichen Mindestlohn ein.
Bei Kombilöhnen würden die Arbeitgeber ja selbst dann, wenn die durch Subventionen aufgestockten Löhne tariflichen Standards entsprächen, wesentlich weniger zahlen. Wäre dann nicht zu befürchten, daß insgesamt die Tarife ins Rutschen geraten?
Das muß verhindert werden. Tarifliche Standards sind zwischen zwei Parteien ausgehandelt worden - und sie sind dann der Maßstab. Es muß um Einstiegsmöglichkeiten für dauerhafte und existenzsichernde Beschäftigung gehen. Nur dafür und nur für begrenzte Zeiträume können staatliche Zuschüsse eine Möglichkeit sein. Ich will jedenfalls nicht, daß mit Hilfe von Kombilöhnen große Konzerne sich unter Umgehung von Tarifverträgen staatliche Förderung organisieren. Ich kenne aber sehr wohl viele kleinere und mittlere Unternehmen, die keine entsprechenden Löhne zahlen können. Denen will ich sehr wohl helfen, vor allem wenn dadurch Beschäftigungsaufbau möglich ist, weil genügend Arbeit da ist. Das ist der Ansatz.
Wäre es zur Sicherstellung einer angemessenen Bezahlung nicht eher angebracht, einen gesetzlichen Mindestlohn und die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen in den Mittelpunkt zu stellen?
Ja, das ist unsere Position. Für die Linkspartei.PDS und auch für die WASG ist ein gesetzlicher Mindestlohn eine sehr wichtige Komponente. Wir wollen auch öffentlich geförderte Beschäftigung, weil wir darin eine Chance zur Verringerung der Arbeitslosigkeit sehen. Wir werden uns anschauen, was da als Gesetzentwurf von der großen Koalition vorgelegt wird.
Und die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen? Da gibt es ja auch Konflikte mit Mitgliedern Ihrer Partei in der Berliner Landesregierung.
Da geht es wohl um den Krankenhauskonzern Vivantes. Da bin ich nicht im Detail informiert, aber jeder weiß um die besonders komplizierte Finanzlage der Hauptstadt, die die jetzige Landesregierung nicht zu verantworten hat. Auch wenn man in einer Landesregierung sitzt, kann man Haushaltsrahmenbedingungen nicht per Gesetz ändern.
Werden denn auf der morgen beginnenden Klausurtagung Ihrer Fraktion die Arbeitsmarktpolitik und auch Kombilöhne eine wesentliche Rolle spielen?
Davon gehe ich aus. Wir als Fraktion sind im Moment in einem politischenFindungsprozeß. Wir haben nach der Konstituierung des Deutschen Bundestages ein Sofortprogramm vorgelegt und arbeiten an seiner Umsetzung. Aber wir müssen auch Positionen für einen längeren Zeitraum festlegen. Das gilt in besonderem Maße für die Arbeitsmarktpolitik, auch weil uns dort viele Menschen Kompetenz zubilligen.
Interview: Rainer Balcerowiak
junge Welt, 09. Januar 2006