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Denkmal für die Opfer des Holodomor in Kiew, Ukraine

Keine Geschichtsrelativierung und Instrumentalisierung von NS-Vergangenheit und Stalinismus

Archiv Linksfraktion - Im Wortlaut von Amira Mohamed Ali, Dietmar Bartsch, Jan Korte,

Erklärung der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Der Antrag von Koalition und Union zum „Holodomor in der Ukraine“ ist Ausdruck eines instrumentellen Verhältnisses zur Geschichte. Selbstverständlich verurteilen wir als LINKE auch den Holodomor klar als entsetzliches stalinistisches Verbrechen. In dem Antrag geht es aber nicht nur um eine Stärkung des Erinnerns und Gedenkens an die Opfer, sondern um die moralische Absicherung einer vordringlich auf das Militärische ausgerichteten Politik im Ukrainekrieg, für die die Erinnerung an Verbrechen des Stalinismus instrumentalisiert wird.

Ziel des Antrages ist nicht eine ernsthafte Thematisierung des Stalinismus, sondern die Parallelisierung des heutigen Russlands mit dem Nationalsozialismus.

Russland wird aktuell aufgrund seiner Kriegsführung und Vergangenheit mit genau den Begrifflichkeiten und Vorwürfen belegt, die bisher für die Spezifik der NS-Verbrechen standen: Ihm wird die Führung eines Vernichtungskrieges unterstellt (zuletzt Roderich Kiesewetter: „Das ist ein Vernichtungskrieg, wie Hitlerdeutschland ihn von 1941 bis 1944 auf sowjetischem und insbesondere auf ukrainischem Boden geführt hat“ im Interview mit ntv.de).

Mit dem Antrag zum „Holodomor“ soll die politisch von Stalin herbeigeführte Hungerkatastrophe als gezielter, ethnisch motivierter Vernichtungsschlag gegen vor allem die Ukrainer:innen bewertet werden.

Beide geschichtspolitischen Elemente sind darauf gerichtet, das Putin-Regime moralisch auf die Stufe des NS-Regimes zu stellen und es der gleichen Menschheitsverbrechen zu bezichtigen. In diese Richtung zielt auch die aktuelle Äußerung von Außenministerin Baerbock, die Russland einen „Zivilisationsbruch“ vorhält und damit exakt jenen Begriff wählt, mit dem die Shoah bezeichnet wird.

Im Rahmen der brutalen Kollektivierung der Landwirtschaft infolge des ersten Fünfjahresplans unter Stalin (initial ab 1930 und verstärkt dann 1932/1933) wurde Hunger als Waffe eingesetzt, der Millionen Menschen in der Ukraine, dem Nordkaukasus, der Wolgaregion, dem Süduralgebiet, Westsibirien und Kasachstan zum Opfer fielen. Sie richtete sich gegen sozial markierte Feinde (die Kulaken und Teile der Bauernschaft), zielte jedoch nicht auf ethnisch definierte Gruppen.

Gemessen an der Gesamtbevölkerung litt die Kasachische ASSR am stärksten unter der stalinschen Hungerpolitik. Aus diesem Grund ist die Einordnung des Geschehens als Völkermord wissenschaftlich bis heute umstritten. Koalition und Union wollen diesen wissenschaftlichen Streit jetzt politisch entscheiden. Während im Antrag die Einordnung der Hungerpolitik als Völkermord nahgelegt wird, kam der Petitionsausschuss des Bundestages noch 2017 zu einem anderen Ergebnis. Hier hieß es mit Blick auf die ukrainischen Opfer: „Eine abschließende Bewertung, ob sie als Opfer eines Genozids im Sinne der späteren Völkermordkonvention der Vereinten Nationen zu verstehen sind, steht noch aus. Dennoch spricht einiges dagegen.“

Die moralische Aufrüstung mit Hilfe von NS-Vergleichen ist leider kein Einzelfall deutscher Regierungspolitik. Schon im Kosovo-Krieg stellte Rot-Grün Kriegsverbrechen der Serben auf eine Stufe mit deutschen Menschheitsverbrechen, indem der damalige Außenminister Fischer sie mit Auschwitz verglich.

Die Fraktion DIE LINKE stellt sich gegen diese Form des Geschichtsrelativismus. Mit ihr wird die Dimension der NS-Vernichtungspolitik totalitarismustheoretisch eingeebnet. Während der Bundestag über ein Museum zur deutschen Besatzungspolitik im Zweiten Weltkrieg und der Spezifik des NS-Vernichtungskrieges berät, wird parallel diese Spezifik verwischt, um moralischen Mehrwert in der politischen Debatte zu generieren. Eine solche Form der Instrumentalisierung von Geschichte lehnt die LINKE ab. Auch die Erinnerung an die Opfer des Stalinismus wird letztlich mit einer solchen Indienstnahme beschädigt.