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Dietmar Bartsch © DBT/Inga HaarFoto: DBT/Inga Haar

Strom- und Gaspreisbremsen sind Subventionsprogramm für beheizte Außenpools

Archiv Linksfraktion - Im Wortlaut von Dietmar Bartsch, Focus Online,

Im Sommer kündigte die Ampel-Regierung eine Gasumlage an. Während in Europa viele Regierungen die Energiepreise deckelten und ihre Länder auf den Winter vorbereiten, diskutierten die Bundesregierung monatelang über das Gegenteil: über noch höhere Preise.

Jetzt sollen Strom- und Gaspreisbremsen kommen. Richtig. Aber warum erst jetzt? Diese Frage muss der Wirtschaftsminister beantworten. Fast zehn Monate nach Beginn dieses fürchterlichen Krieges! Spät, später, Habeck! Die Menschen und die Unternehmen in Deutschland zahlen für die „Zuspätpolitik“ der Ampel tagtäglich einen hohen Preis.

Habeck liefert die Strom- und Gaspreisbremsen nicht nur später als benötigt, sondern sie sind auch mangelhaft. Die Bremsen der Ampel würde kein TÜV in Deutschland abnehmen. Es gibt mehrere Konstruktionsfehler: Die Bremsen setzen zu hoch an. Sie können zu einer Einladung zum Abkassieren werden. Sie sind sozial ungerecht und sie sichern die Gewinne der Energiekonzerne.

Nehmen wir den Strom: 40 Cent pro Kilowattstunde sind deutlich zu hoch. Das ist erst einmal keine Bremse, sondern ein Gaspedal. Damit spielt Deutschland tatsächlich um den Weltmeistertitel - zumindest bei den Strompreisen. Gebremst wurde zum Beispiel in Österreich. Da liegt der Strompreis bei 10 Cent pro Haushaltskontingent. Warum geht das dort und in Deutschland nicht annähernd?
Wenn die Strompreisbremse bei 40 Cent ansetzt, ist es logisch, dass kein Versorger mit den neuen Tarifen darunterbleibt. Richtig, dass die Ampel jetzt die Preise kontrollieren will. Wir haben das wochenlang angemahnt. Aber völlig unklar ist, wie die Regierung eventuellen Missbrauch unterbinden will. Die geplante Aufsicht darf nicht zu Proformakontrollen führen. Wir brauchen Preiskontrollen mit Klauen und Zähnen, die die Preise tatsächlich drücken.

Wenn der Bund mit Steuergeld bei über 40 Cent die Rechnung übernimmt, muss er sich von den Versorgern detailliert darlegen lassen, warum hier 53 Cent oder dort 66 Cent verlangt werden. Die aktuellen Unterschiede sind wohl nur mit einer Mitnahmementalität einiger Versorger erklärbar. Der Bund muss jeden neuen Tarif für 2023 genehmigen oder untersagen. Ohne staatliche Preiskontrollen sind die Strom- und Gaspreisbremsen eine Einladung zum Abkassieren und ein Fass ohne Boden für die Steuerzahler.

Das Hauptproblem der Strom- und Gaspreisbremsen ist die himmelschreiende soziale Ungerechtigkeit. Robert Habeck, ich selbst und die restlichen Gutverdiener des Landes profitieren mehr von der Strom- und Gaspreisbremse als die große Mehrheit der Bevölkerung. Der Wirtschaftsminister sagte kürzlich: „Gerecht wäre, dass die, die besonders bedürftig sind, besonders viel bekommen.“ Das Gegenteil ist der Fall.

Je höher der Verbrauch 2022, desto höher die Entlastung 2023: Das ist das falsche Grundprinzip. Denn wenn der Verbrauch entscheidet, sind die Bremsen faktisch ein Subventionsprogramm für beheizte Außenpools. Die Villenbesitzer profitieren am meisten. Wer dagegen in diesem Jahr gespart hat oder hart sparen musste, ist der Dumme.

Je geringer der Verbrauch, desto weniger Entlastung. Das ist sozialer Sprengstoff und klimapolitischer Wahnsinn, den die Ampel korrigieren sollte! Die Bürger müssen gleichbehandelt werden, nicht nach dem Verbrauch. Ansonsten wären die Strom- und Gaspreisbremsen Umverteilung von unten nach oben und ein Katalysator für die soziale Ungleichheit im Land.

Die Alternativen liegen auf dem Tisch. Warum nicht ein festes Bürgerkontingent für Strom und Gas pro Person oder Haushalt? Das wäre sozial gerecht. Die Ampel macht das Gegenteil: Sie subventioniert den beheizten Außenpool und sagt den einfachen Leuten, wie lange sie duschen sollen.

Was ist eigentlich mit den Energiekonzernen? Die Ampel wollte deren Gewinne abschöpfen. Jetzt kommt viel weniger, erst ab diesem Dezember und nicht seit Kriegsbeginn. Rund 50 Milliarden Euro wurden allein den Stromkunden in diesem Jahr aus der Tasche gezogen und landeten als Übergewinne bei den Energiekonzernen. Dieses Geld müsste die Regierung zurückholen, aber bei der Ampel läuft wieder der Thriller: „Wer hat Angst vor Christian Lindner“.

In der kommenden Woche entscheidet der Bundestag. Unsere Forderung an die Ampel lautet: Repariert Eure Bremsen! Niedrigerer Deckel, festes Kontingent, Heizöl- und Pellets-Verbraucher einbeziehen, solide Preiskontrollen und eine ordentliche Übergewinnsteuer auf die Profite der Konzerne!


Der ganze Gastbeitrag im Focus

Focus Online,