Durch eine Online-Petition, die Anfang November innerhalb weniger Tage 1,4 Mio. Unterstützer:innen fand, haben Hebammen in Krankenhäusern einen großen Erfolg errungen: Sie werden ab 2025 nicht mehr durch die Fallpauschalen finanziert. Ein Lehrstück über politische Veränderung ‚von unten‘, denn die Bundesregierung hatte sich das eigentlich ganz anders vorgestellt. Ates Gürpinar erklärt die Hintergründe.
Hebammen in Kreißsälen werden ab 2025 nicht mehr über die Fallpauschalen, sondern kostendeckend über das Pflegebudget finanziert. Das hat der Bundestag am 02. Dezember 2022 im Rahmen des „Krankenhauspflegeentlastungsgesetzes“ beschlossen.
Für die Hebammen und die stationäre Geburtshilfe insgesamt ist das ein großer Erfolg! Der enorme Kostendruck, unter dem Kreißsäle im Fallpauschalensystem zu leiden haben, wird dadurch ein erhebliches Stück abgefangen.
Geplant hatte die Ampel-Koalition diese Reform so allerdings nicht – im Gegenteil. Die kurzfristige Gesetzesänderung ist ein Erfolg der Petition »Keine Streichung der Hebammen aus dem Pflegebudget ab 2025!« auf change.org. Diese Petition wurde Anfang November gestartet und innerhalb weniger Tage von 1,4 Mio. Menschen unterstützt.
Die Petition bezog sich auf ein Gesetz, dass der Bundestag am 20. Oktober 2022 verabschiedet hatte: Mit dem „Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz) sollen mehrere Berufsgruppen ab 2025 aus dem sogenannten „Pflegebudget“ herausgenommen werden. Dazu gehören u.a. Physiotherapeut:innen, Ergotherapeut:innen, Logopäd:innen – und eben Hebammen. Die entsprechenden Berufsverbände waren schon vor der Entscheidung dagegen Sturm gelaufen und taten dies danach umso mehr.
Mit dem Pflegebudget werden seit 2019 die Personalkosten für Pflegekräfte und andere nicht-ärztliche Berufsgruppen finanziert, die auf bettenführenden Stationen arbeiten. Der Unterschied zur Finanzierung aller anderen Berufsgruppen und Bereiche ist, dass den Krankenhäusern hier die tatsächlich anfallenden Personalkosten erstattet werden – nicht mehr und nicht weniger. Damit gibt es keine Möglichkeit mehr, am Personal zu sparen, um die Einnahmen zu erhöhen.
Raus aus dem Pflegebudget bedeutet für die betroffenen Berufsgruppen ein Zurück in die Fallpauschalen. Also stärkerer Kostendruck, schlechtere Arbeitsbedingungen und damit eine schlechtere Versorgung der Patientinnen und Patienten. Eine ohnehin skandalöse Entscheidung, die noch absurder wird, wenn man bedenkt, dass Gesundheitsminister Lauterbach seit Monaten in jedes Mikrofon erzählt, dass er die Fallpauschalen in ihrer jetzigen Form abschaffen und „eine drastische Entökonomisierung des Gesundheitswesens“ erreichen wolle.
Bisher waren nur Hebammen in das Pflegebudget einbezogen, die auf Geburtsstationen eingesetzt werden. Hebammen in Kreißsälen – der mit Abstand größte Teil – werden über die Fallpauschalen finanziert – mit den bekannten fatalen Folgen für die Geburtshilfe. Für den relativ kleinen Teil der Hebammen, die auf Stationen jenseits von Kreißsälen arbeiten, startete die Jurastudentin Michelle Franco am 04. November ihre Petition. Sie forderte, die Herausnahme aus dem Pflegebudget rückgängig zu machen.