Hintergrundinformation zu Forderungen der CDU/CSU-Arbeitsgruppe Arbeitsmarkt nach Verschärfungen von Hartz IV und Kombilohn
Am 5. Oktober 2006 gab die Arbeitsgruppe der CDU/CSU Bundestagsfraktion und der unionsgeführten Länder, die der Arbeitsgruppe Arbeitsmarkt der Bundesregierung zuarbeitet, ihre Empfehlungen zur Neuordnung des Niedriglohnsektors bekannt. Sie fordert weitere drastische Verschärfungen für Arbeitslosengeld II-BezieherInnen sowie einen Ausbau der Kombilohnfunktionen.Ihre Thesen: Hartz IV sei zu „einer Einstiegsförderung in die Hilfebedürftigkeit statt zu einer Ausstiegsförderung in Beschäftigung“ geworden. Aufgrund der zu großzügigen Zuverdienstregelungen bestehe kein ökonomischer Anreiz, mehr als einen Minijob anzunehmen. Die Kosten von Hartz IV explodierten. Gründe hierfür seien Leistungsausweitungen im SGB II gegenüber den alten Systemen, vielfach noch ineffiziente Verwaltungsstrukturen sowie die schwierige Lage am Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose und gering Qualifizierte. Deshalb müssten die Organisationsstrukturen verbessert, das Leistungsrecht gezielt auf die Integration in den Arbeitsmarkt ausgerichtet und ein zielorientierter Kombilohn eingerichtet werden.
Im Einzelnen fordert die Arbeitsgruppe der Union:
- die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen für Arbeitslosengeld II-Bezieher komplett zu streichen und für diejenigen zu verkürzen, die aus dem ALG I in das SGB II wechseln. Dies bedeutet die Abschaffung einer der ganz wenigen Verbesserungen, die durch Hartz IV für ehemalige SozialhilfebezieherInnen erreicht wurden und für ehemalige BezieherInnen von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe das offensichtliche Ende der Rentenbeitragszahlungen.
- die Überprüfung von Hilfebedürftigen zu optimieren und Sanktionen zu verschärfen. Hier ist - laut Presseäußerungen von Unionsvertretern und einem Papier von Pofalla und Söder - offenbar an eine 50-prozentige Kürzung sowie eine Komplettstreichung beim zweiten Regelverstoß gedacht. Außerdem sollen die Sanktionen unmittelbar kraft Gesetz wirksam werden, was bedeutet, dass aus einer Soll- eine Muss-Regelung wird und den SachbearbeiterInnen vor Ort Ermessensspielräume weitgehend genommen werden.
- Ferner soll der Unterhaltsrückgriff zwischen Eltern und Kindern (sowie umgekehrt) wieder ohne Altersgrenze gelten. Das bedeutet eine Rückkehr zu Standards der alten Sozialhilfe.
- Für jede Bedarfsgemeinschaft soll nur noch ein KfZ im Wert von max. 10.000 Euro zugelassen sein.
- Den Kommunen soll die Möglichkeit eingeräumt werden, die Kosten für Unterkunft und Heizung zu pauschalieren. Das Ziel ist explizit eine Kostensenkung durch die faktische Reduktion der Leistungen.
- AsylbewerberInnen sollen auch nach drei Jahren weiterhin auf die um ein Viertel niedrigeren Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes verwiesen bleiben, was bedeutet, dass AsylbewerberInnen dauerhaft als Menschen zweiter Klasse klassifiziert werden, deren Integration in die Gesellschaft nicht gewünscht ist.
In Hinblick auf Hinzuverdienstmöglichkeiten und Kombilohnfunktionen fordert die Unionsarbeitsgruppe die ersten 400 Euro bis auf einen pauschalen Freibetrag von 40 Euro voll auf die Hilfeleistung anzurechnen. Sie geht damit noch deutlich über den Vorschlag des Sachverständigenrates, die ersten 200 Euro voll anzurechnen, hinaus. Oberhalb der Minijobgrenze will sie die Anrechnungsregelungen wie der Sachverständigenrat deutlich großzügiger gestalten, als dies momentan der Fall ist, um so den Anreiz zu erhöhen, eine umfangreichere Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Erwerbstätigkeit müsse künftig wieder „die klare Alternative und nicht die bequeme Ergänzung zum Transferbezug“ sein. Die Mehraufwandsentschädigung für Arbeitsgelegenheiten (die derzeitigen 1-Euro-Jobs) soll verringert werden, um zu verhindern, dass der Anreiz zur Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit am ersten Arbeitsmarkt unterlaufen wird. Außerdem will die Arbeitsgruppe verstärkt private Vermittler - u. a. Zeitarbeitsfirmen - einsetzen statt kommunale Beschäftigung zu finanzieren und die Aufwandsentschädigung für die Maßnahmeträger reduzieren. Gleichzeitig soll aber allen Personen, die SGB II Leistungen beantragen, ein Sofortangebot zur Beschäftigung, Eingliederung oder Qualifizierung unterbreitet werden (ein Vorhaben, das bereits mit dem Fortentwicklungsgesetz vom Juni beschlossen wurde).
Die Unionsarbeitsgruppe folgt damit weitgehend dem Vorschlag des Sachverständigenrates, der zudem vorschlug, das soziokulturelle Existenzminimum von 345 Euro nur zu gewähren, wenn eine Gegenleistung in Form von Erwerbsarbeit oder gemeinnütziger Arbeit erbracht wird, also das Prinzip „Workfare“ - Transferleistung nur gegen Gegenleistung - endgültig festschreiben will. Der SVR schlug zudem vor, Arbeitsgelegenheiten auch auf dem ersten Arbeitsmarkt zuzulassen. Die CDU scheint dem zu folgen zu wollen.
Parallel soll ein Kombilohn für über 50-Jährige und unter 25-Jährige eingeführt werden, bei dem bis zu einem Bruttomonatseinkommen von 1.600 Euro (bei Jüngeren 1.300 Euro) bis zu drei Jahre 40 Prozent des Bruttolohns (zu zwei Dritteln an den Arbeitgeber, zu einem Drittel an den Arbeitnehmer; maximale Fördersumme 660 Euro) als Lohnkostenzuschuss gezahlt werden.
Konklusion: Die Unionsarbeitsgruppe will damit das Leistungsrecht der Grundsicherung für Arbeitsuchende so verändern, dass es weitestgehend den Regelungen der alten Sozialhilfe entspricht (allgemeine Unterhaltspflicht, keine Rentenansprüche). Die wenigen Verbesserungen für die ehemaligen SozialhilfebezieherInnen werden zurückgenommen und die alten Verhältnisse der Fürsorge endgültig auf die ehemalige Gruppe der Arbeitslosenhilfeberechtigten übertragen. Sie will den Druck auf Erwerbslose weiter erhöhen und die Repressionen verschärfen, da sie unbelehrbar davon ausgeht, Hartz IV-BezieherInnen würden sich nicht ausreichend um Arbeit bemühen. Um das vermeintlich freiwillige Sich-Einrichten im Hilfebezug mit Hinzuverdienst zu verhindern, will die Union die Zuverdienstregelungen im unteren Bereich und die Mehraufwandsentschädigung für 1-Euro-Jobs weitgehend einschränken. Im Midijobbereich und für bestimmte Zielgruppen will sie dagegen das Prinzip staatlicher Lohnsubventionierung massiv ausweiten, da sie davon ausgeht, dass gering Qualifizierte und bestimmte Gruppen von Langzeitarbeitslosen nur eine Chance auf Arbeitsmarktintegration haben, wenn der Preis für ihre Arbeitskraft unter das gängige Niveau am Arbeitsmarkt sinkt. Der Druck auf die Löhne und Tarife auf dem ersten Arbeitsmarkt wird damit massiv erhöht. Über die geplante Zunahme der Vermittlungsdienste von Leiharbeitsfirmen und deren Subventionierung wird Lohndumping flächendeckend in die Betriebe getragen.
Die CDU/CSU hat damit ihre Forderungen für die Verhandlungen mit dem Koalitionspartner formuliert. Die SPD hat verlauten lassen, sie werde die vorgeschlagenen Sanktionsverschärfungen nicht mittragen und wolle die Kombilöhne aus inhaltlichen und finanziellen Gründen nicht. Bei den Hinzuverdienstgrenzen hat man sich offenbar bereits auf die beschriebenen Grundlinien geeinigt. Es bleibt abzuwarten, wie viele ihrer Vorschläge die Union noch durchsetzen kann.
von Katrin Mohr, Referentin für soziale Sicherung/Rentenpolitik