Nach dem erstmaligen Einzug in ein westdeutsches Landesparlament sieht Gregor Gysi, Chef der Linkspartei-Bundestagsfraktion, seine Partei als wichtiges Korrektiv in der Gesellschaft bestätigt - und will bis zur Rente auch den Landtag in Bayern erobern.
Noch nicht zu Ende fusioniert mit der WASG - und schon ist die neue Linkspartei in einem westdeutschen Parlament gelandet. Welchen Auftrag leiten Sie als Frontmann daraus ab?Die Entscheidung für die Fusion ist dadurch unausweichlich geworden. Alle Mitglieder beider Parteien haben mitbekommen, was wir zusammen können und dass wir das getrennt nie geschafft hätten. Wir haben jetzt unseren Anspruch angemeldet: Wir sind endlich eine bundesweit erfolgreiche gesamtdeutsche Partei. Nun müssen wir uns organisieren von Mecklenburg-Vorpommern bis Bayern. Schritt für Schritt müssen wir auch in den alten Ländern deutlich stärker werden.
Die Linkspartei hat sich in Bremen als Sammelstelle für das abgehängte Prekariat bewiesen und vermutlich auch so viel Protest aufgesammelt, das die DVU klein geblieben ist. Erachten Sie das als Erfolg?
Die Linkspartei ist ein wichtiger Korrekturfaktor in der Gesellschaft. Jede Partei links von der Sozialdemokratie spielt eine solche Rolle in ganz Europa. Mit uns wird Deutschland europäisch normal. Die SPD hat sich antisozialdemokratisch entwickelt. Das Prekariat braucht eine Stimme. Es muss eine Linkspartei geben, die sagt, ja, diese Schwachen wollen wir in der Gesellschaft nicht vergessen. Aber wir wollen natürlich auch Facharbeiter, Meister sowie kleine und mittlere Unternehmer vertreten. Unabhängig davon müssen wir erste Adresse für die Anliegen der Menschen in Ostdeutschland bleiben. Das ist eine unserer zentralen Wurzeln. Wenn wir, wie in Bremen, auch noch mit erreicht haben, dass die DVU so winzig geblieben ist: Na, um so besser.
Wer gewählt wird, sollte auch regieren wollen. Die SPD-Spitzen in Bremen und im Bund haben klipp und klar gesagt: Nichts geht mit der Linkspartei. Was nun?
Erstens sollte man bei solchen Äußerungen eines SPD-Spitzenkandidaten immer gelassen reagieren. Wer hat 1990 nicht alles erklärt, mit mir nie zu reden. Die Praxis war ganz anders. Die SPD kommt doch mit sich selber nicht zurecht. Das ist das Problem von Böhrnsen und Beck. Sie kommen nicht damit zurecht, dass plötzlich eine Partei links von ihr existiert und gewählt wird. Und nun reagieren sie wie immer, wenn Leute die Wahrheiten nicht zur Kenntnis nehmen: beleidigt. Die Linken in der SPD werden eines Tages dankbar dafür sein, dass es uns gibt. Jetzt beginnt für die die Auseinandersetzung, holt man fünf Prozent von der Union oder holt man fünf Prozent von den Linken. Das wird die SPD zum Schwur treiben. Wenn die SPD wieder sozialdemokratisch werden sollte, ginge viel mehr. Und der "Bürgermeister Beck" ist eben nicht der Typ für den großen Wurf. Mit uns werden noch sehr viel mehr Leute reden. Wir sind ein wichtiges Korrektiv.
Kann Ihre Partei den ersten West-Erfolg noch selbst aufs Spiel setzen, vielleicht durch zu viel Übermut?
Die Fraktion in Bremen muss schnell lernen, als Fraktion zu arbeiten. Sie muss gut ankommen bei der eigenen Bevölkerung und darüber hinaus. 2008 gibt es vier Landtagswahlen. Dabei müssen wir den Bürgern begreiflich machen, mit uns ist bundespolitisch, aber auch landespolitisch etwas anzufangen. Und bevor ich in Rente gehe, will ich, dass wir noch den Einzug ins bayerische Parlament schaffen.
Leipziger Volkszeitung vom 14. Mai 2007, Interview: Dieter Wonka