Die Linke in Deutschland und in Lateinamerika blickt auf den Rio-Gipfel
Valter Pomar (l.) von der brasilianische Arbeiterpartei (PT) und die MdB Wolfgang Gehrcke und Sabine Leidig
Rio 2012 ist nicht Rio 1992. Die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung von 1992 hatte als "Erdgipfel" viele Hoffnungen auf eine Entwicklung ausgelöst, in der der Mensch im Mittelpunkt steht. Die Nachfolgekonferenz in der kommenden Woche ("Rio+20") steht unter ganz anderen Vorzeichen: Grüner Kapitalismus – mit dieser Agenda fahren die Regierungen der Industrienationen nach Rio. Immer weitere Bereiche des Lebens sollen unter die marktwirtschaftliche Profitlogik gezwungen werden.
Was setzen die Regierungen des Südens, insbesondere die linken Regierungen Lateinamerikas, dem entgegen? Was erwartet die deutsche LINKE von Rio? Darüber diskutierten am Donnerstagabend die Abgeordneten Wolfgang Gehrcke und Sabine Leidig mit Valter Pomar von der brasilianischen Arbeiterpartei (PT) und 40 Interessierten im Karl-Liebknecht-Haus.
Ökologische Nachhaltigkeit und Kapitalismus sind nicht miteinander zu vereinbaren, mit dieser Ausgangsthese startete Valter Pomar in die Debatte um linke Alternativen zur "Green Economy". Den Begriff "Green Economy", der die Debatten um den Rio+20-Gipfel prägt, kritisierte er als Versuch, diese Unvereinbarkeit zu verschleiern. Pomar ist Mitglied der Führung der brasilianischen Regierungspartei PT und Exekutivsekretär des Foro de São Paulo, des Zusammenschlusses linker Parteien in Lateinamerika.
Rio muss Entwicklungskonferenz werden
Die PT und der nationale brasilianische Gewerkschaftsdachverband CUT haben sich vor dem Nachhaltigkeitsgipfel in ihrem Land positioniert: Der Rio-Prozess muss die Notwendigkeit des sozialen Schutzes anerkennen. Rio 2012 darf keine reine Umweltkonferenz, sondern muss eine Entwicklungskonferenz werden. Entwicklung und der Erhalt der Umwelt dürfen nicht mehr gegeneinander diskutiert werden, vielmehr muss es um eine grüne Entwicklung mit würdiger und zugleich sinnvoller Arbeit gehen.
Für die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Leidig, ist die Umweltfrage die zentrale soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Mit Blick auf die Bundestagsdebatte über den Antrag der Linksfraktion (17/9732) und auf eine Erklärung des Deutschen Frauenrats vor dem Rio-Gipfel stellte sie fest, dass sich an dieser Frage eine radikale Systemkritik entwickeln und an gesellschaftlicher Breite gewinnen kann.
"Wir brauchen einen grünen Sozialismus"
Leidig stellte den "Plan B", das "rote Projekt für einen sozial-ökologischen Umbau", vor. Die Linksfraktion trägt darin Alternativen zum Grünanstrich des Kapitalismus zusammen: Von der Demokratisierung der Energieversorgung und der industriellen Produktion über soziale Mobilität bis hin zur Stärkung lokaler Wirtschaftskreisläufe werden Grundlagen für eine ökologische, soziale und demokratische Wirtschafts- und Lebensweise vorgestellt und diskutiert. Sabine Leidig lud zum Mitmachen ein - jede und jeder eigene Vorstellungen einbringen und mitdiskutieren. Sobald die Seite plan-b-mitmachen.de online ist, werden wir Sie auf linksfraktion.de informieren.
Wolfgang Gehrcke, Leiter des Arbeitskreises Internationale Politik der Fraktion, hatte zuvor in seiner Begrüßung die Verbindung zur Friedensfrage hergestellt und auf eine Initiative von Friedensorganisationen und Nobelpreisträgern zum Rio-Gipfel hingewiesen. Sie fordern die Regierungen auf, in Rio die Reduzierung der globalen Rüstungsetats um zehn Prozent zu verabreden und die frei werdenden Mittel in die Armutsbekämpfung zu lenken.
Die Diskussion im Karl-Liebknecht-Haus machte auch die Widersprüche deutlich, in denen diejenigen sich bewegen, die konkrete linke Alternativen in einer kapitalistischen Umgebung erstreiten wollen. Die PT als Regierungspartei in einem wirtschaftlich aufstrebenden Land muss ihre Politik gegen die Macht der Agrarlobby und des Finanzkapitals und auch gegen eine konservativ-liberale Mehrheit im Parlament entwickeln und durchsetzen. Die Ergebnisse ihrer Politik müssen immer in diesem Kontext bewertet werden. Sabine Leidig warnte vor dem erhobenen Zeigefinger mit Blick auf die sich entwickelnden Gesellschaften des Südens: Diese Länder entwickeln sich in einer kapitalistischen Umgebung, die alternative Entwicklungswege erschwert und oftmals unmöglich macht.
Globale Umweltfragen sind im Kapitalismus nicht zu lösen, darin war sich Valter Pomar mit Sabine Leidig einig, denn sie benötigen demokratische Planung und den Abschied von der Warenproduktion – Sabine Leidig fasste es prägnant zusammen: Wir brauchen einen "grünen Sozialismus". Alexander King