Der Vize-Chef der Links-Fraktion im Bundestag über die mangelhafte Vergangenheitsbewältigung bei der CDU.
Herr Ramelow, wird die CDU gerade von den Geistern geholt, die sie bei der Linken so oft rief?
Es sind die Geister, die sie selbst beschworen hat. Die CDU wollte für das denkwürdige Jahr 2009 einen Wahlkampf, der ihr ein Saubermannimage verpasst und alles Negative aus der DDR bei der Linken ablädt. Das ist gescheitert. Ich halte CDU-Mitgliedern nicht vor, was sie in der Vergangenheit getan haben, doch tue das massiv in der Frage, wie sie damit umgehen. Wer so 40 Jahre real existierende DDR unter den Teppich kehren will, macht es sich zu einfach und handelt verantwortungslos.
Drehen Sie nun den Spieß um?
Überhaupt nicht. Wir nehmen irritiert zur Kenntnis, dass die CDU so getan hat, als wenn sie nach der Wende wie Raumschiffe im Osten eingeflogen wäre. Frau Merkel beschwört jetzt den heiligen Geist von Alt-Kanzler Kohl, als die Galionsfigur für Freiheit in der DDR. Dabei wird völlig verschwiegen, dass die CDU als Teil dieser DDR existiert hat.
"Gegen das Vergessen und Verdrängen." Warum hat die CDU dafür 20 Jahre gebraucht?
Die CDU hat sich immer gedrückt, eine Analyse an sich selbst vorzunehmen. Politisch wie ideologisch. Dann hätte sie nämlich einräumen müssen, dass sie auch das Räderwerk der DDR am Laufen gehalten hat. Mit Heldengeschichten und mit Schandgeschichten.
Den Vorwurf kennen Sie ja.
Die Maßstäbe, die andere für sich reklamieren, gelten nie, wenn es um uns geht. Jetzt stellt man fest: Jedes sechste Parteimitglied der CDU in der DDR war Kaderträger und auf einem Karrieretrip, wie ihn andere Parteien nicht garantieren konnten. Es gab schlicht opportunistische Gründe, in die CDU einzutreten. Jetzt stolpert die CDU über ihre Tillichs und Althaus'.
Wann sollte Stanislaw Tillich politische Konsequenzen ziehen?
Tillich hat ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. Er wollte Karriere machen in der DDR, was aber nach der Wende durch sehr großzügige Formulierungen nicht auffallen sollte. Politische Konsequenzen müsste er selbst ziehen, wenn er gelogen hätte. Was hätte es von der CDU für ein Riesengeschrei gegeben, wenn bei einem Linken dieser freihändige Umgang mit der eigenen Biographie entdeckt worden wäre. Ich will, dass gleiche Maßstäbe für alle gelten.
Auch bei den Parteivermögen?
Die CDU der DDR hat ihr gesamtes Geld von der SED bekommen und die CDU der BRD davon umgerechnet 11,2 Millionen Euro übernommen. Die Behauptung, sie hätte auf alles verzichtet, ist unwahr.
Interview: Sebastian Gehrmann
Frankfurter Rundschau, 2. Dezember 2008
»Gleiche Maßstäbe für alle«
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