Linksfraktion im Bundestag diskutierte mit Betriebsräten über politische Alternativen
Wie die Linke in Deutschland die nötige Kraft entwickeln kann, um sich dem Neoliberalismus der Regierung, der Parlamentsmehrheit und der Konzerne wirksam entgegenzustellen - von dieser Frage war am Mittwoch die erste Betriebsrätekonferenz der Linksfraktion im Bundestag geprägt. Hoffnungen hefteten sich in der Diskussion zwischen Politikern der Linksfraktion und Betriebsräten an die jeweils andere Seite. Während die Beschäftigtenvertreter beklagten, daß ihre Interessen kaum parlamentarisch vertreten würden, verwies der Vorsitzende der Linksfraktion, Oskar Lafontaine, darauf, daß seine Fraktion immer wieder Gesetzesinitiativen im Interesse der Lohnabhängigen und sozial Schwachen einbringe, die jedoch von den Medien verschwiegen und vom Parlament »abgebügelt« würden. Daher, so Lafontaine, bedürfe es einer Stärkung der Gewerkschaften, um eine sozialere Politik durchzusetzen.Lafontaine stellte parlamentarische Inititativen seiner Fraktion vor, die dazu beitragen sollen. Diese fordere, den Generalstreik im deutschen Arbeitsrecht zu verankern, der die angemessene Antwort auf die ständigen »Entscheidungen der Parlamentsmehrheit gegen die Mehrheit der Bevölkerung« sei und den nötigen politischen Druck für eine andere Politik aufbauen könne.
Desweiteren habe die Linksfraktion den Paragraphen 116 des Arbeitsförderungsgesetzes zur »kalten Aussperrung« wieder in den Bundestag eingebracht, der 1986 zum Nachteil der Lohnabhängigen geändert wurde. Die Aussperrung ist ein Arbeitskampfmittel der Unternehmen, die im Fall eines Streiks auch Teile des Betriebs stillegen, in denen nicht gestreikt wird, so daß die dort Beschäftigten für die Zeit der Stillegung keinen Lohn erhalten. Seit 1986 erhalten sie in der Regel auch kein Kurzarbeitergeld vom Arbeitsamt bzw. der Bundesarbeitsagentur mehr. Durch die massenhaften Lohnausfälle entsteht massiver Druck auf die Gewerkschaften, den Streik zu beenden.
Betriebsräte und Gewerkschafter begrüßten den Vorstoß zum Generalstreik. Demonstrationen und Kundgebungen, die oft folgenlos blieben, seien für viele frustrierend und die Beteiligung daher gering, hieß es. Auch sei die Möglichkeit zum Generalstreik von zentraler Bedeutung, um die internationale Vernetzung von Gewerkschaften voranzutreiben und auf europäischer Ebene etwas zu bewegen. Eine Drohung der Lohnabhängigen, »die europäische Ökonomie lahmzulegen«, müsse möglich werden.
Der ver.di-Bereichsleiter Wirtschaftspolitik, Michael Schlecht, übte scharfe Kritik an den »großen Angriffen auf die Sozialsysteme« der letzten Jahre und bekräftigte die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn, wie sie auch von der Linksfraktion vertreten wird. Schlecht erinnerte an die großen Hoffnungen, die man 1998 in die Bundesregierung aus SPD und Grünen gesetzt hätten, und forderte daher von den Gewerkschaften, »politische Autonomie« zu entwickeln, statt einem politischen Bündnispartner zu vertrauen. Zuvor hatte Oskar Lafontaine in seiner Rede für mehr Unterstützung der Linkspartei durch die Gewerkschaften geworben.
Von Sebastian Wessels
junge Welt, 30. November 2006