Petra Pau mit DFB-Präsident Theo Zwanziger beim Freundschaftsspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Ungarn am 29. Mai 2010 in Budapest
Ein Foto zeigt Sie beim Fußballländerspiel Ungarn gegen Deutschland in Budapest - offenbar in trauter Eintracht mit DFB-Präsident Theo Zwanziger. Was haben wir verpasst?
Am Spiel eher nichts. Aber das war für mich ohnehin nur Nebensache. Eines meiner politischen Anliegen ist der Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Und dabei treffe ich mich durchaus und häufig mit dem ebenso engagierten Theo Zwanziger.
In Ungarn?
Auch in Ungarn, wo seit Jahren ein gravierender Rechtsruck stattfindet, in der Gesellschaft und in der Politik. De facto hat im März eine klare Mehrheit der Bevölkerung rechtskonservativ bis neofaschistisch gewählt. Das geht mit revanchistischem Größenwahn einher und mit einer Stimmung, bei der Roma quasi zum Abschuss freigegeben sind - wie zu NS-Zeiten.
Das klingt furchtbar.
Das ist real, konkret und tödlich. Ich war in Tatárszentgyorgy, einem Zweitausend-Seelen-Dorf südlich von Budapest. Dort wurde einer Roma-Familie das Haus angezündet. Und als der Vater mit seinen fünfjährigen Sohn dem Inferno entkommen wollte, wurden beide kaltblütig erschossen.
Ein Fünfjähriger erschossen?
Ja, weil er Roma ist. Mein Wahlkreis in Berlin ist Marzahn-Hellersdorf. Dort gab es in der NS-Zeit ein Sammellager für Sinti und Roma. Sie wurden ab 1936 zusammengepfercht, damit sie das schöne Bild der Olympischen Spiele in Deutschland nicht trüben. Der Weg von Marzahn in die Gas-Kammern von Auschwitz war von da an sehr kurz. Es hilft nur wenig, in Trauer daran zu erinnern, wenn sich inmitten der EU nun ähnliche Entwicklungen abzeichnen.
Faschistische Konzentrations-Lager in Ungarn?
Nein. Aber es heißt zu Recht: Wehret den Anfängen! Und die sind in Ungarn längst überschritten. Hinzu kommt, dass die Nazis in Deutschland 1933 nicht an die Macht kamen, weil die NSDAP so stark war, sondern weil die Demokraten zu schwach waren. Sie rieben sich gegeneinander auf. Das darf sich nie mehr wiederholen. Deshalb bin ich immer für breitmöglichste Bündnisse, wenn es gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus geht.
Also auch antifaschistischer Fußball gemeinsam mit dem DFB?
Ich weiß, die Frage ist bewusst provokant gestellt. Deshalb will ich umso ernster antworten. In Tatárszentgyorgy waren wir als mahnendes Team: Romani Rose für den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, DFB-Vize Hermann Korfmacher für den deutschen Fußball, Botschafterin Janetzke-Wentzel für die Bundesregierung und ich für den Bundestag.
Ein kleiner symbolischer Akt am Rande des Weltgeschehens, oder?
Vielleicht, aber nicht nur. Unter der Ägide des »Bau-Ordens«, einer auch deutschen Hilfsorganisation, die ich bis dato übrigens gar nicht kannte, bauen derzeit Jugendliche aus Deutschland, Polen und Bulgarien das von Neo-Nazis abgefackelte Haus der Roma-Familie wieder auf. Der DFB spendete den beiden Fußball-Nachwuchsmannschaften in Tatárszentgyorgy Sportkleidung und Bälle, damit auch Roma-Kinder aus ärmlichen Verhältnisse eine Chance haben, dabei zu sein. Und es gab eine gemeinsame Botschaft: Weil wir die deutsch-europäische Geschichte kennen, nehmen wir nirgendwo mehr tatenlos hin, wenn Menschen zu minderwertigem Freiwild erklärt werden.
Interview: Rainer Brandt
linksfraktion.de, 30. Mai 2010
»Für breitmöglichste Bündnisse«
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Im Wortlaut
von
Petra Pau,