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»Die fortwährende Überwachung ist durch nichts zu rechtfertigen«

Archiv Linksfraktion - Nachricht von Gregor Gysi,

Der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Gregor Gysi, hat heute an den Bundespräsidenten, den Bundestagspräsidenten und die Bundeskanzlerin geschrieben. In seinem Schreiben fordert Gregor Gysi die Überwachung der Partei DIE LINKE, die Überwachung der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag und die Überwachung der 27 Mitglieder des Deutschen Bundestages unverzüglich und vollständig einstellen zu lassen.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,
sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

Sie konnten wie ich aus den Medien entnehmen, dass 27 Mitglieder des Deutschen Bundestages, die der Fraktion DIE LINKE angehören, seit vielen Jahren, auch gegenwärtig und künftig, vom Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ überwacht werden und überwacht werden sollen.

Hierdurch wird das Grundgesetz schwerwiegend und in mehrfacher Hinsicht verletzt.

Der Bundestag insgesamt wird durch diese Vorgehensweise missachtet und in seinen Rechten verletzt. Der Bundestag hat unter anderem die Funktion, die Tätigkeit der Geheimdienste in Deutschland zu kontrollieren. Die Tatsache, dass ein Geheimdienst diese Funktion umdreht und meint, selbst Abgeordnete überwachen zu dürfen, ist nicht hinnehmbar. Es gibt im Gesetz auch keine spezielle Ausnahmeregelung, in welchen gravierenden seltenen Fällen, unter welchen Bedingungen und nach wessen Zustimmung ausnahmsweise die Beobachtung einer Abgeordneten oder eines Abgeordneten zulässig sein könnte. Die demokratisch gewählten höchsten Volksvertreterinnen und Volksvertreter so zu behandeln wie es der Inlandsgeheimdienst praktiziert, darf nicht länger hingenommen werden.

Der Schutz der Abgeordneten ist auch eine spezielle Aufgabe des Bundestagspräsidenten.

Hinzu kommt noch ein weiterer Umstand. Mit der absoluten Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages wurden die Abgeordnete Petra Pau zur Vizepräsidentin und der Abgeordnete Steffen Bockhahn zum Mitglied des geheimen Kontrollausschusses des Haushaltsausschusses gewählt. Es ist deshalb auch eine Brüskierung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, wenn unabhängig davon diese Abgeordneten vom Inlandsgeheimdienst überwacht werden. Besonders bemerkenswert ist der Umstand, dass der Abgeordnete Steffen Bockhahn im Kontrollausschuss die Tätigkeit der Geheimdienste kontrollieren soll, wobei sich einer dieser Geheimdienste das Recht nimmt – quasi in Revanche – den Abgeordneten Steffen Bockhahn zu überwachen.

Auch die Chancengleichheit der Parteien wird verletzt. Mit der Überwachung von mehr als einem Drittel der Mitglieder der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag wird versucht, den Wählerinnen und Wählern Angst zu machen. Sie sollen im Unterschied zu den anderen Parteien im Bundestag hier Hemmungen entwickeln, die Partei DIE LINKE zu wählen. Hinzu kommt, dass Bürgerinnen und Bürger davon abgehalten werden sollen, Mitglieder der Partei DIE LINKE zu werden. Nicht nur im Bundesland Bayern müssen Bewerberinnen und Bewerber für den Öffentlichen Dienst mitteilen, ob sie Mitglieder der Partei DIE LINKE sind. Es wird mit diesem Instrument also dafür gesorgt, die Mitgliedschaft in unserer Partei wiederum anders als bei den anderen Parteien zu reduzieren. Auch das verletzt die Chancengleichheit der Parteien.

Selbstverständlich sind auch die Persönlichkeitsrechte einzelner Abgeordneter schwerwiegend beeinträchtigt. Bei keinem einzigen der Abgeordneten ist die Überwachung gerechtfertigt. Offenkundig gibt es Strukturen im Inlandsgeheimdienst, die den Kalten Krieg fortsetzen, die nicht mitbekommen haben, dass er aufgehört hat. Die fortwährende Überwachung ist durch nichts zu rechtfertigen.

DIE LINKE ist eine demokratische Partei, die regelmäßig für die Einhaltung des Grundgesetzes innerhalb und außerhalb des Bundestages streitet.

Im Interesse der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, im Interesse der Stellung des Bundestages und seiner Mitglieder ersuche ich sie daher, das in Ihren Ämtern mögliche zu tun, um die Überwachung der Partei DIE LINKE, um die Überwachung der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag und um die Überwachung der 27 Mitglieder des Deutschen Bundestages unverzüglich und vollständig einstellen zu lassen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Gregor Gysi