Seit fast drei Jahren setzen Sie sich für die Rehabilitierung von »Kriegsverrätern« ein. Am Freitag wird über das Thema im Bundestag diskutiert, rein rechnerisch hätten Sie dort doch eine Mehrheit.
Eine Abstimmung gibt es zwar nicht, daß aber überhaupt darüber debattiert wird, hat meine Fraktion durchgesetzt. Laut Geschäftsordnung muß dem Plenum ein Bericht vorgelegt werden, wenn sich der zuständige Ausschuß nach zehn Wochen noch auf keine Beschlußempfehlung geeinigt hat. Wenn am Freitag abgestimmt würde, hätten wir sicherlich eine deutliche Mehrheit für die Rehabilitierung derjenigen, die sich gegen die Naziherrschaft und den Krieg wandten. 20000 Menschen sind damals unter anderem deswegen hingerichtet worden.
Die SPD hatte die Ehrenerklärung 2002 noch mit der Begründung abgelehnt, der Forschungsstand dazu sei unzureichend. Was hat sich seitdem geändert?
Offensichtlich sehr viel. Im Kern geht es um zwei Dinge: Erstens um die Delegitimierung der Wehrmachtsjustiz. Zum anderen darum, den heute noch lebenden Angehörigen das Signal zu geben, daß ihre Väter und Großväter keine Verräter waren, sondern daß sie eine Ehrentat begangen haben. Dazu gibt es mittlerweile umfangreiche Forschungen.
Sie sind für die pauschale Rehabilitierung, lehnen aber die von manchen Politikern geforderte Einzelfallprüfung ab. Warum?
Ich will, daß die grundsätzlich mit dem Tode bedrohte Bestimmung über den »Kriegsverrat« nachträglich als verbrecherisch gebrandmarkt wird. Zum Beispiel wurden Soldaten, die Juden geholfen oder die einem Kriegsgefangenen ein Stück Brot zugesteckt hatten, grundsätzlich mit dem Tode bestraft. Solche Leute gelten heute pauschal als vorbestraft - ich will aber, daß sie pauschal rehabilitiert werden. Und dann möchte ich natürlich, daß anerkannt wird, daß die Wehrmachtsjustiz Teil dieses Unrechtsstaates war.
Der Rechtspolitiker der CDU/CSU-Fraktion, Norbert Geis, sieht das aber ganz anders.
Es ist wirklich unglaublich, was Geis jetzt von sich gegeben hat: Mit der Rehabilitierung würden alle Urteile zu Unrechtsurteilen! Das unterstellt doch, daß es bei diesen Gerichtsentscheidungen irgendeine rechtsstaatliche Substanz gegeben hat.
Kein einziger der Richter, die Todesurteile verhängt haben, ist in der Bundesrepublik Deutschland bestraft worden.
Leider ist es so. Der ehemalige Generalstaatsanwalt Hessens, der Sozialdemokrat Fritz Bauer, sagte einmal: »Unrecht kennt keinen Verrat«. Wie kann man im Zusammenhang mit einem verbrecherischen Krieg von Hochverrat reden? Die eigentlichen Verbrecher waren diese Richter.
Wie erklären Sie sich, daß der Stahlhelmflügel der Union, der keine Hemmungen hat, Nazis reinzuwaschen, immer noch so viel Einfluß hat?
Sogar Bundeswehrminister Franz Josef Jung (CDU) hatte signalisiert, er könne mit der Rehabilitierung von »Kriegsverrätern« einverstanden sein. Offenbar ist man sich in der Union nicht einig. Es ist jetzt Sache der CDU/CSU, die Geschichte aufzuarbeiten.
Am Freitag wird im Bundestag darüber debattiert. Wird irgendwann abgestimmt?
Wir sind hartnäckig und werden das Thema immer wieder auf die Tagesordnung setzen. Am (heutigen, die Redaktion) Mittwoch werden wir im Rechtsausschuß erneut einen Vorstoß dazu machen - vielleicht gibt es ja irgendwann die Beschlußempfehlung, der Bundestag möge darüber abstimmen. Seit dreieinhalb Jahren sind wir deswegen immer wieder auf die SPD zugegangen. Mttlerweile hat sie einen eigenen Gesetzentwurf, den sie jetzt einbringen müßte.
Denkbar wäre ja auch, daß Ihre Fraktion den Entwurf der SPD übernimmt und einbringt.
Inhaltlich sind unsere Gesetzesentwürfe auch jetzt schon fast gleich. Unterschiedlich ist lediglich die Begründung. Die SPD müßte ihren Worten jetzt wirklich mal langsam Taten folgen lassen. Es gibt auch immer mehr Sozialdemokraten, die allmählich Ergebnisse sehen wollen - erst gestern hat die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel gefordert, daß endlich etwas geschehen müsse.
Interview: Peter Wolter/Frank Brendle
junge Welt, 27. Mai 2009
»Die eigentlichen Verbrecher waren die Richter«
Archiv Linksfraktion -
Im Wortlaut
von
Jan Korte,