Position der LINKEN:
Arbeitszeiten zu dokumentieren, ist eine Mindestvoraussetzung für die tatsächliche Umsetzung des Mindestlohns. Seine Einhaltung kann nur effektiv kontrolliert werden, wenn es belastbare Aufzeichnungen über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit gibt.
Das derzeitige Gebrüll der Arbeitgeber gegen das vermeintliche "Bürokratiemonster" weist ungewollt auf Missstände im Arbeitgeberlager hin. Die Vehemenz, mit der eine zeitliche Erfassung der Arbeitszeit als nicht praktizierbar verteufelt wird, lässt daran zweifeln, ob die Arbeitgeber in der Regel den schon bestehenden gesetzlichen Auflagen Folge leisten oder für sich einen Freifahrtsschein wollen. Denn schon lange ist gesetzlich vorgeschrieben, dass Arbeitszeiten, die über die erlaubten acht Stunden pro Tag hinausgehen, aufgezeichnet werden müssen. Wo Mehrarbeit anfällt, muss immer zunächst die reguläre Arbeitszeit erfasst werden. Aber: Wer Mehrarbeit nicht bezahlen will, erfasst sie wohl erst gar nicht.
Fakten 1: Welche Aufzeichnungspflichten bestanden schon vor dem Mindestlohngesetz?
Das Arbeitszeitgesetz schreibt die Dokumentation von Arbeitszeiten vor, die über die werktäglich erlaubte Arbeitszeit von 8 Stunden hinausgehen, sodass die Arbeitszeiterfassung in den meisten Betrieben alltägliche Praxis ist bzw. sein müsste. Es ist nicht allein für Abrechnungszwecke betriebswirtschaftlich sogar unerlässlich und für jeden Betrieb auch zu leisten. Logisch zwingend ist daher: Wenn Mehrarbeit anfällt, muss zunächst die reguläre Arbeitszeit erfasst werden.
Jede Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen ist eine über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit und muss damit aufgezeichnet werden.
Für Beschäftigte im Straßentransport gilt nach § 21a Arbeitszeitgesetz eine generelle Aufzeichnungspflicht bei der Arbeitszeit und nicht nur, wenn die werktägliche Arbeitszeit überschritten wird.
Der Gesetzgeber macht keine Vorschriften zur Form der Aufzeichnung und der Arbeitgeber kann die Pflicht an den Arbeitnehmer delegieren.
Für Branchen, für die ein für allgemeinverbindlich erklärter Mindestlohn nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz oder dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gilt, gibt es eine generelle Aufzeichnungspflicht für die Arbeitszeiten (Beginn, Ende und Dauer) schon lange. Damals haben die Arbeitgeber wohl auf den Aufschrei verzichtet, weil es politisch nicht opportun war.
Für diese Branchen gilt ein Branchenmindestlohn im Sinne des Arbeitnehmerentsendegesetzes bzw. des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes:
- Bauhaupt- und Baunebengewerbe
- Gebäudereinigung
- Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken
- Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft
- Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst
- Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch
- Schlachten und Fleischverarbeitung
- Pflegebranche (Altenpflege und ambulante Krankenpflege)
- Maler- und Lackiererhandwerk
- Gerüstbauerhandwerk
- Dachdeckerhandwerk
- Elektrohandwerk
- Steinmetz und Steinbildhauerhandwerk
- Friseurhandwerk
- Land- und Forstwirtschaft sowie Gartenbau
- Textil- und Bekleidungsindustrie
- Leiharbeit.
Anmerkung:
Spiegel online berichtet: Die jährliche Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) hat Ende November 2014 einen Beschluss gefasst, dass es erforderlich sei, "die Arbeitgeber wieder zur generellen Aufzeichnung der Arbeitszeiten zu verpflichten", auch wenn sie die gesetzliche Regelarbeitszeit von acht Stunden nicht überschreiten. Eine entsprechende Änderung würde erreichen, so die ASMK, "dass Verstöße gegen vorgeschriebene Arbeitszeiten nicht mehr problemlos verschleiert werden können". Die Bundesregierung solle "entsprechende gesetzgeberische Schritte" einleiten. Antragsteller sind alle Bundesländer, dem Spiegel-Artikel zufolge haben auch die Unions-Länder zugestimmt.
Fakten 2: Für wen gilt die Aufzeichnungspflicht nach dem Mindestlohngesetz
Die Pflicht zur Dokumentation besteht nur für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse und für neun Branchen, die nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz als besonders missbrauchsanfällig betrachtet werden. Dabei handelt es sich um folgende Branchen: Baugewerbe, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, Personenbeförderungsgewerbe, Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, Schaustellergewerbe, Forstwirtschaft, Gebäudereinigungsgewerbe, Unternehmen, die sich im Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen, Fleischwirtschaft.
Im Übrigen muss auf Folgendes hingewiesen werden: Nicht die Aufzeichnungspflichten erhöhen den bürokratischen Aufwand, sondern die vielen gesetzlichen Ausnahmeregelungen. Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft weist zu Recht darauf hin: „Das Mindestlohngesetz enthält eine Vielzahl bürokratischer Ausnahmen, was deren Überwachung und Kontrolle erheblich erschwert.“
Manuela Wischmann, Arbeitskreis wirtschaft, Arbeit und Finanzen
linksfraktion.de, 3. März 2015