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Der Krieg vor hundert Jahren ist Geschichte! Oder doch nicht?

Archiv Linksfraktion - Nachricht,

Plenardebatte des Deutschen Reichstages am 4. August 1914, Foto: Bundesarchiv

 

 

Von Gisela Zimmer

Am Donnerstag dieser Woche, am 28. August, lädt die Fraktion DIE LINKE gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu einer ganz besonderen Lesung ein. Es geht um Geschichten aus der Geschichte. Passiert vor einhundert Jahren – am 4. August und am 2. Dezember 1914 - im Deutschen Reichstag. Damals ging es um Kriegsmilliarden, bewilligt mit nur einer einzigen Gegenstimme und in einer bedrückend kurzen Parlamentsdebatte. Wie ist die abgelaufen? Welche Fragen stellten die Abgeordneten? Welche Reden wurden gehalten? Was wurde verschwiegen? Woher kam die Euphorie, die Welt ins Verderben zu stürzen?

Und „wie wurden Kriegsgegner zu Kriegsunterstützern und schließlich zu Kriegern“, fragte sich Luc Jochimsen. Sie, die langjährige ARD-Korrespondentin und Chefredakteurin und für DIE LINKE von 2005 bis 2013 im Bundestag, hatte die Idee zu dieser szenischen Lesung. Sie stöberte im Archiv, fand historische Reden, Zeitungsberichte, Sitzungsprotokolle, Schlagzeilen, Tagebuchnotizen und Fotos aus dem Sommer 1914 und stellte schon bei der Recherche „eine geradezu unheimliche Aktualität“ fest. Seitdem, so die Initiatorin, „hat die Brisanz von Monat zu Monat, Woche zu Woche und nun von Tag zu Tag zugenommen“. Die Bundesregierung hat beschlossen, Waffen in den Irak zu liefern – ohne zuvor das Parlament zu fragen. Im Nachtrapp soll nun am 1. September eine Bundestagssondersitzung zum bereits gefassten Beschluss stattfinden. Am Weltfriedenstag. Ist das zynisch oder gedankenlos?

Auf jeden Fall steht jetzt – wie vor einhundert Jahren schon – erneut die Frage, unterstützt das Parlament einen Krieg? Mit Waffenlieferungen, mit Geld, mit anderen Mitteln? Das konnten die Initiatoren der Collage „1914. Die Reichstagsdebatten zu den Kriegskrediten“ zu Beginn so nicht voraussehen. Für die szenische Lesung schlüpfen Prominente von heute in die „historischen Rollen“ von damals. Dabei sind Literaten wie Christoph Hein und Ingo Schulze, Publizisten und ebenfalls Buchautoren wie Roger Willemsen und Michel Friedman, der Verleger und Journalist Jakob Augstein, Regisseur Franz Sodann, die Verfasserin der Collage Luc Jochimsen, Florian Weis von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, aus unserer Fraktion Sarah Wagenknecht, Gregor Gysi, dazu Oskar Lafontaine und von der CDU/CSU Peter Gauweiler und Willy Wimmer. 

Willy Wimmer gehörte über drei Jahrzehnte lang dem Bundestag an und machte sich vor allem einen Namen als verteidigungspolitischer Experte. „Wenn man die Texte nimmt“, sagt er, „leben wir heute in einer ähnlichen Situation. Hysterie ersetzt die Politik.“ Und er erinnert daran, dass „aus gutem Grund erklärte Politik einer jeden Bundesregierung sein muss, keine Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete zu exportieren“.

Willy Wimmer wird nach der Lesung zusammen mit Peter Gauweiler, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi über alte – oder doch eben wieder neue - Fragen und Argumente debattieren. Wer verdient am Krieg, warum kein gesetzliches Verbot von Waffenexporten, wie sind Konflikte aufzulösen, wenn sie so bestialisch sind wie zur Zeit das Morden im Nordirak oder im Gazastreifen oder in der Ukraine? „Wir sind mit allen Problemen, die es auf dem Kontinent gab, fertig geworden, solange wir den diplomatischen Ansatz gesucht und gefunden haben“, sagt Willy Wimmer.

1914 wurden Diplomatie und internationale Solidarität – so Luc Jochimsen – auch ersetzt durch Machtinteressen und Gelüste auf eine „größere Rolle“ , auch Verantwortung genannt. „Das ist Sprache, mit der Krieg vorbereitet werden kann. Das müssen wir JETZT wissen, wenn wir an den Ersten Weltkrieg vor einhundert Jahren erinnern.“ Am Donnerstag, abends 18 Uhr, macht die Fraktion DIE LINKE das – mit einer öffentlichen szenischen Lesung und einer offenen, nachdenklichen Diskussion für Entscheidungen von heute.