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Das Verbraucherinformationsgesetz schützt Behörden und Unternehmen vor Verbraucherinnen und Verbrauchern

Archiv Linksfraktion - Interview der Woche von Karin Binder, Caren Lay,

Karin Binder, Obfrau im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, und Caren Lay, verbraucherschutzpolitische Sprecherin der Fraktion, machen im Interview der Woche Vorschläge, wie aus dem Reden über Verbraucherschutz tatsächlich Handeln für die Verbraucherinnen und Verbraucher werden kann. Die Fraktion wird das Thema bei einer Konferenz am 14. Juni mit Politik, Verbraucherorganisationen, Wissenschaft und Behörden diskutieren.

Zum 1. Mai 2008 trat das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) in Kraft. Ziel des Gesetzes war, die Lebensmittelsicherheit zu erhöhen. Ist das gelungen?

Karin Binder: Nein. Stattdessen hat man den Eindruck, das VIG schützt Behörden und Unternehmen vor den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Stichproben von Verbraucherorganisationen haben gezeigt: Wenn besorgte Bürgerinnen und Bürger mögliche Belastungen oder Verunreinigungen von Lebensmittel genau hinterfragen wollen, wiegeln die zuständigen Stellen meist ab oder verweisen auf ein »Betriebs- und Geschäftsgeheimnis« der Hersteller. Gleichzeitig werden die Verbraucherinnen und Verbraucher auch noch abgezockt: Die Behörden verlangen oft mehrere hundert Euro Gebühren für eine Anfrage. Das hält viele Menschen davon ab, ihre Verbraucherrechte überhaupt wahrzunehmen.

Was halten Sie vom Internetdialog, den die Bundesregierung als »Runden Tisch« zur Diskussion des Verbraucherinformationsgesetzes einberufen hat?

Caren Lay: Die Fraktion DIE LINKE unterstützt jede demokratische Bürgerbeteiligung. Doch warum behebt das Verbraucherministerium längst offenkundige Mängel nicht sofort? Greenpeace beurteilt die Wirkungen des Gesetzes in einem Praxistest mit »abschrecken, abservieren, abkassieren«. Die Verbraucherzentrale Bundesverband hält es für durchgefallen. Alle Verbände sind sich einig, dass und wie die Informationsrechte gestärkt werden müssen. Vor diesem Hintergrund lässt der Internetdialog in der Sommerpause auf Verzögerungstaktik schließen.

Warum gibt es noch kein bundesweites »Smiley-System« für die Kennzeichnung der Hygiene in der Gastronomie wie in Dänemark?

Karin Binder: Immerhin gibt es bereits ein Pilot-Projekt in Berlin-Pankow, das von der Verbraucherschutz-Senatorin Katrin Lompscher (DIE LINKE) angestoßen wurde. Der Smiley wird an Betriebe und gastronomische Einrichtungen vergeben, die bei der Lebensmittelkontrolle eine hohe Qualität und Hygiene nachgewiesen haben. Die im wahrsten Sinne des Wortes saubere Arbeit wird für alle Besucherinnen und Besucher gut sichtbar als Smiley-Aufkleber und Urkunde dokumentiert. Die Schwarzen Schafe landen übrigens auf einer öffentlichen Liste im Internet. Grundlage für das Smiley-System ist übrigens das VIG. Berlin hat gute Erfahrungen damit gemacht. Ich mache mich deshalb für eine bundesweit verpflichtende Einführung stark.

Welche Bedeutung haben Informationsrechte für den Verbraucherschutz?

Caren Lay: Informationen sind die Voraussetzung für bewusste Entscheidungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Immer mehr Menschen wollen wissen, wo ihre Produkte herkommen und wie sie produziert wurden. Oder sie wollen bewusst nicht bei Unternehmen kaufen, die z.B. Gammelfleisch in Umlauf gebracht haben. Aber erst umfassende Informationsrechte ermöglichen uns erst eine bewusste »Politik mit dem Einkaufskorb«. Umgekehrt belegen Studien, dass Unternehmen die mangelnden Kenntnis ihrer Kunden kräftig ausnutzen. Die Geheimniskrämerei in deutschen Amtsstuben und Unternehmen muss endlich ein Ende haben.

Auf der Website der Fraktion haben Sie vor kurzem einen Nährwert-Ampelrechner veröffentlicht. Warum?

Karin Binder: Gute Verbraucherinformation fängt an der Ladentheke an. Große Hersteller versuchen aber selbst bei den Nährwert-Angaben zu mogeln. Deren als GDA bezeichneten »Richtlinie für den täglichen Bedarf« gibt Zucker, Fett und Salz in Prozent am Tagesbedarf an. Die Portionsgrößen sind dabei willkürlich festgelegt: Bei 25 Gramm Chips oder 21 Gramm Käse schrumpfen Fett und Salzgehalt wie durch Zauberhand. DIE LINKE fordert deshalb die Nährwert-Ampel. Der Gehalt von Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz wird dabei auf der Vorderseite der Verpackung angegeben und farblich unterlegt: Grün für »gering«, Gelb für »mittel« und Rot für »hoch«. Die Angaben beziehen sich einheitlich auf 100 Gramm oder 100 Milliliter, damit alle Produkte miteinander vergleichbar sind. Verbraucherinnen und Verbraucher können damit auf den ersten Blick erkennen was drin steckt und Schummel-Werbung umgehen. Unser Ampel-Rechner hilft den Leuten bei einer gesunden und ausgewogenen Ernährung, indem die unklaren Angaben der Hersteller ins Ampel-Modell übersetzt werden. Probieren Sie es aus: www.linksfraktion.de/ampeltest

Was tut DIE LINKE, um Informationsrechte zu stärken?

Caren Lay: Wir wollen, dass das Verbraucherinformationsgesetz schnellstmöglich verbessert wird. Die Informationsrechte müssen gestärkt und die praktische Umsetzung muss verbessert werden. Die Auskunftsansprüche dürfen nicht länger auf den Lebensmittelbereich beschränkt werden, sondern müssen zum Beispiel auch für den Finanzbereich gelten. Auskünfte müssen weitgehend kostenfrei sein und müssen in engen Fristen beantwortet werden. Hierzu haben wir im Mai einen eigenen Antrag (PDF) in den Bundestag eingebracht. Am 14. Juni veranstalten wir eine Konferenz zum Thema. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen!

www.linksfraktion.de, 31. Mai 2010