Von Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Die Regierungen und die Führung der EU drücken ihr Freihandelsabkommen CETA erstmal durch. Was sie komplett ausblenden: Mit jedem Beschluss mehr, den sie gegen den Willen und die Interessen der Bevölkerungsmehrheit erpressen, reißen sie einen weiteren Baustein aus dem Mauerwerk des gemeinsamen Hauses Europa. Die Vehemenz, mit der EU-Kommission, die Bundesregierung und selbst ein ohne Mandat verhandelnder Präsident des Europaparlaments hier agieren, ist schon erschreckend. Nicht nur die Wallonen haben Widerstand gezeigt, auch in Deutschland werden die Länder, in denen DIE LINKE in Regierungsverantwortung ist, nicht zustimmen.
Die Europäische Union hat sich nicht blamiert, weil der CETA-Gipfel mit Kanada für heute abgesagt wurde, sondern weil starrköpfige Politiker ihren Weg als alternativlos deklarieren, voranschreiten und dabei ihre Bevölkerung zurücklassen. Hier bekommt das Modell vom Europa der zwei Geschwindigkeiten eine völlig neue - gefährliche Bedeutung. Wer diese Politik gegen die Menschen durchboxt, betreibt aktive Wahlkampfhilfe für Nationalisten und Rechtspopulisten.
Die Bundesregierung hat in den Verhandlungen nicht einmal dafür gesorgt, dass die Auflagen des Bundesverfassungsgerichts erfüllt werden. Einseitige Zusatzerklärungen reichen laut Grundgesetz nicht aus, es muss der Vertragstext selbst geändert werden. Alle Beteuerungen über mögliche Nachbesserungen im weiteren Verfahren werden mit der geplanten Vorinkraftsetzung von CETA schon heute infrage gestellt. Das Europaparlament hat bisher nicht begonnen, den fertig verhandelten CETA-Text, einschließlich der jetzt zusätzlichen Protokollerklärungen, im parlamentarischen Verfahren offiziell zu prüfen. Das kann erst erfolgen, nachdem das Abkommen unterzeichnet ist. Eigentlich auch ein Unding! Ich setze hier darauf, dass unsere Kollegen der Linksfraktion im Europaparlament in diesem Verfahren CETA weiterhin die Stirn bieten.