Bundesrechnungshof: Kein Bedarf für mehr Übungsmöglichkeiten der Luftwaffe
Der Bundesrechnungshof holt das Militär auf den Boden der Realitäten zurück. In einem vertraulichen Papier fordert er das Verteidigungsministerium auf, »das Konzept für die Nutzung der Luft/Boden-Schießplätze zu überarbeiten und an die zukünftige Bewaffnung und Größe der Kampfflugzeug-Flotte anzupassen«.Ein Papier des Bundesrechnungshofes moniert, dass der im Jahr 2001 errechnete jährliche Übungsbedarf für den Luft/Boden-Kampf von insgesamt 3900 Luftwaffen- und alliierten Einsätzen über dem deutschen Festland nach wie vor als Planungsgröße und Begründung für zusätzlich zu schaffende Übungsmöglichkeiten verwendet wird. Die Nutzungskonzepte entsprechen »nicht mehr annähernd dem tatsächlichen Bedarf«. Die Prüfer erkennen zudem »keinen Bedarf, die bei Weitem nicht ausgeschöpften Übungsmöglichkeiten noch zu erweitern«. Die Forderung aus dem Jahr 1992, so heißt es, »ist angesichts des heutigen und zukünftigen Ausrüstungs- und Aufgabenprofils der Kampfflugzeug-Flotte nicht mehr begründbar« - und mit den Geboten der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit »nicht zu vereinbaren«.
Dass die Rechnungsprüfer damit auch
das von der Bundeswehr besetzte Bombodrom in der Wittstock-Ruppiner Heide ablehnen, ist deutlich: »Auch das Argument, mit weiteren Übungsmöglichkeiten die Lasten des Übungsbetriebes in Deutschland gerechter zu verteilen, ist nicht mehr plausibel.« Gegen die weitere Nutzung des einstigen sowjetischen Manöverfeldes wehren sich Anwohner ebenso wie die Parlamente und Regierungen Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns. Zahlreiche Gerichtsentscheide gaben Militärgegnern Recht.
Bislang üben die deutsche Luftwaffe sowie NATO-Alliierte ihre Attacken über See oder auf den Übungsplätzen Siegenburg und Nordholm. Die Einsätze gehen systematisch zurück. Das ist einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Bundestags-Linksfraktion zu entnehmen, die gleichfalls mit dem 21. November 2007 datiert ist. In Siegenburg sank die Anzahl der jährlichen Einsätze von 2003 bis 2006 von 216 auf 143. 2005 wurde der Platz ganze acht Stunden genutzt. Die entsprechenden Zahlen für Nordholm: 2003 799 Einsätze, 2006 481.
Insgesamt absolvierten Luftwaffe und Verbündete also im vergangenen Jahr 624 Luft/Boden-Einsätze. Doch das Verteidigungsministerium beharrt darauf, allein über dem Bombodrom bis zu 1700 Einsätze - also fast das Dreifache des Bisherigen - fliegen zu dürfen. Umweltfreundlich, betont man und hat dabei noch nicht einmal eine »Risikobewertung hinsichtlich der toxischen und umweltrelevanten Wirkung der Flugkraftstoffe«.
Laut Ministerium sind seit 1997 rund 50 Millionen Euro Steuermittel für das Bombodrom aufgewendet worden, darunter 30 Millionen für Personalkosten.
Von René Heilig
Neues Deutschland, 1. Dezember 2007