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Barrieren beseitigen mit Bürgerarbeit

Archiv Linksfraktion - Im Wortlaut,

Senatorin Knake-Werner startet Öffentlichen Beschäftigungssektor für 10 000 Arbeitslose

Einen Fahrplan zu deuten, den Fahrkartenautomaten zu bedienen oder einen auf den Stock angewiesenen Menschen auf der Treppe zu begleiten wird als Projekt Fahrgastbetreuung zum Öffentlich geförderten Beschäftigungssektor (ÖBS) gehören. Was Arbeits- und Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (LINKE) gestern nach der Senatssitzung viel lieber »Bürgerarbeit« nannte, beseitigt künftig nicht nur im Nahverkehr Barrieren, sondern auch welche für Langzeitarbeitslose.

10 000 vor allem ältere Menschen, die wegen mangelnder Ausbildung, Krankheiten oder anderer Schwierigkeiten keine Arbeit finden, sollen bis zum Jahr 2010 eine nützliche soziale Tätigkeit als regulären Job mit 1300 Euro monatlichem Bruttoeinkommen und wieder eine Perspektive bekommen. Die Förderdauer beträgt bis zu 24 Monate und kann ohne Unterbrechung verlängert werden.

Das neue Bundesprogramm »Perspektiven für Langzeitarbeitslose - JobPerspektive« wurde am Montag veröffentlicht und startete damit in diesem Monat. Berlin bringt eine eigene Spezifik und auch eigene Mittel ein. Bezahlt wird das Programm zu 75 Prozent vom Bund und zu 25 Prozent vom Land Berlin. So ergänzt das Land die Bundeszahlungen mit 522 Euro im Monat pro Person. Es wendet in den kommenden drei Jahren dafür zusätzlich pro Jahr rund 80 Millionen Euro auf.

Als Einsatzschwerpunkte nannte die Senatorin die Stärkung des sozialen Zusammenhalts durch Nachbarschaftsarbeit und die soziale Infrastruktur, Unterstützung der Integration von Migranten, kulturelle und schulische Bildung. Einige Vorhaben liefen schon vor dem offiziellen Start als Pilotprojekte an, darunter die Kinderbetreuung im Pankower Frauenzentrum Paula Panke oder der Gemeinde-Dolmetscherdienst in Friedrichshain-Kreuzberg.

Mit dem Programm würden »nicht alle Blütenträume erfüllt«, meinte Senatorin Knake-Werner, doch entstünden zum Beispiel »sinnvolle Alternativen zu den sinnlosen Ein-Euro-Jobs«. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen, die Alg II empfingen, bezifferte sie in Berlin mit rund 200 000 Menschen. Da die neuen Fördermaßnahmen keine bestehende reguläre Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt ersetzen oder verdrängen dürfen, soll die Umsetzung der Maßnahmen von einem Landesbeirat begleitet werden.

Viele Fragen seien noch offen, beklagte für Bündnis 90/Die Grünen deren Fraktionsvize Ramona Pop. Der Senat wolle »Löcher in der sozialen Infrastruktur der Stadt stopfen, die er selber mit seiner Kürzungspolitik verursacht hat«, lautete ihr Verdacht. Zudem dürfe es »keinen endlosen Streit über die Zielgruppen und die Beschäftigungsfelder« geben.

Besser als öffentliche Arbeitsmarktprogramme wären Entlastungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen und Deregulierungsmaßnahmen, erklärte der IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder. Trotz ihrer Bedenken werde sich die Berliner Wirtschaft aber einbringen.

Von Klaus Joachim Herrmann

www.oebs-berlin.de

Neues Deutschland, 17. Oktober 2007