Gespräch der Zeitschrift »antifa. Magazin der VVN-BdA für antifaschistische Politik und Kultur« mit Jan Korte über die Rehabilitierung der so genannten »Kriegsverräter«
Wie es aussieht, wird der Deutsche Bundestag am 26. August einstimmig die NS-Terrorurteile wegen Kriegsverrats aufheben. Können Sie den Werdegang dieses Gesetzentwurfs noch einmal kurz skizzieren?
Jan Korte: Richtig, am 26. August wird der Bundestag in einer Sondersitzung bei Zustimmung aller Fraktionen die pauschale Aufhebung der NS-Kriegsverratsurteile beschließen. Der Weg dahin war ein langer. Er hat bereits 2002 begonnen, als unter rot-grün die Urteile gegen die so genannten Deserteure und Wehrdienstverweiger aufgehoben wurden. Damals wollten die Grünen und die PDS auch die »Kriegsverräter« rehabilitieren, scheiterten aber am Widerstand der SPD. 2006 hat nun die Linksfraktion einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht. 2007 fand dann eine erste Lesung statt, seitdem liegt der Gesetzentwurf im zuständigen Rechtsausschuss auf Eis und wartet auf eine Beschlussfassung. Diese wurde mit den Stimmen der Koalition immer wieder verhindert. Trotz einer Anhörung im Mai 2008 mit eindeutigem Urteil: Die »Kriegsverräter« müssen rehabilitiert werden. Da die Verhinderung durch SPD und CDU bis Mai 2009 anhielt, haben wir eine Debatte hierzu im Plenum beantragt. Dies erhöhte den Druck; dennoch wollte man auch innerhalb der SPD dem Linke-Entwurf nicht zustimmen. So haben schließlich Wolfgang Wieland (Grüne), Christine Lambrecht (SPD) und ich einen Gruppengesetzentwurf eingereicht. Diesem folgten 69 SPD-Abgeordnete und die gesamten Fraktionen der Grünen und der Linken. Auch zwei FDPler und zwei CDUler waren dabei. Der Druck wurde also derart hoch - auch durch die weltweite Berichterstattung -, dass nun die Koalition einen eigen Gesetzentwurf erarbeitet hat. Der ist dem unseren sprachlich gleich und wird von allen Fraktionen getragen. Nur die Linke darf nicht mit unter den Gesetzentwurf, weil die CDU/CSU mauert...
Warum wurden die »Kriegsverräter« eigentlich nicht schon gemeinsam mit den Wehrmachtsdeserteuren rehabilitiert?
Damals wie heute herrschte bis in das SPD-geführte Justizministerium hinein die Meinung vor, »Kriegsverräter« hätten unter Umständen ihre eigenen Kameraden gefährdet. Damit lagen sie allerdings falsch und fielen auf die Sprache der NS-Justiz herein. Bis heute ist nicht ein einziger Fall dieser Art bekannt. Wegen »Kriegsverrats« wurden einfache Soldaten verurteilt, wenn sie Juden versteckten, mit Kriegsgefangenen sprachen oder sich kritisch über den Hitler-Faschismus in Tagebucheinträgen äußerten. Der Paragraph im NS-Militärstrafrecht diente demnach der Disziplinierung der Truppe und der sprachlichen Vertuschung nach außen.
Nun liegen dem Bundestag zwei wortgleiche Anträge vor, die allerdings unterschiedlich begründet sind. Was steht in den Begründungen? Sind die Unterschiede politisch gewollt?
Wie gesagt, es sind sogar drei. Allerdings hat Die Linke immer gesagt, dass sie, wenn es der Sache diene, ihren eigenen Gesetzentwurf zurückstellen werde. Die Begründungen der drei Entwürfe unterscheiden sich wie die Gesetzestexte selbst kaum voneinander. Die Linke hat von Anfang an politisch und moralisch argumentiert und auf die Verbrechen der Wehrmacht und der dazugehörigen NS-Justiz hingewiesen. Im Gruppengesetzentwurf wird mehr auf die Unbestimmtheit des entsprechenden Paragraphen im NS-Militärstrafgesetzbuch verwiesen, wie auch auf die Tatsache, dass ausnahmslos die Todesstrafe verhängt werden durfte. Die Union bringt vor allem »neue wissenschaftliche Erkenntnisse« an. Ein Witz eigentlich, wenn man bedenkt, dass das Buch von Wolfram Wette (Das letzte Tabu - s. Seite 27 dieser antifa) 2007 erschienen ist und 2008 eine hochkarätig besetzte Anhörung im Rechtsausschuss stattfand. Abgesehen davon ist aber inhaltlich der Begründung der Union im Großen und Ganzen ebenfalls zuzustimmen.
Warum, meinen Sie, musste die CDU/CSU Fraktion ihre Blockadehaltung jetzt doch aufgeben?
Ich kann hier nur Vermutungen anstellen. Mir scheint, dass den meisten die Äußerungen des Rechtsaußen Norbert Geis (CSU) zum Thema letztendlich dann doch zu viel waren. Denn auch in den Kreisen der Union gibt es viele, die dieses Unrecht beseitigen wollen. Außerdem gab es massiven Protest der beiden Kirchen, von Richtervereinigungen und Anwaltsverbänden, Ex-Verfassungsrichtern und selbst konservativen Medien wie der FAZ oder dem Rheinischen Merkur gegen die Blockadehaltung der Union. Es ist zwar ein Erfolg, dass endlich die Opfer des NS-Regimes rehabilitiert werden. Es ist aber eine Schande, dass dies 70 Jahre nach Kriegsausbruch unter eine schmierige parteipolitische Auseinandersetzung gestellt wird.
antifa. Magazin der VVN-BdA für antifaschistische Politik und Kultur, Ausgabe 7-8/2009
Aufhebung der Terrorurteile
Archiv Linksfraktion -
Im Wortlaut
von
Jan Korte,